: Ein Plätzchen für mein Schätzchen
Subversion an seltsamen Orten: Als neulich im Leipziger Kaufhof niemand zu merken schien, was wirklich gespielt wurde
In Leipzig, im Erdgeschoss des Kaufhofs, gab es eine Aktion mit Ständen, an denen Caipirinha-Herstellungssets, verschiedene exotische Früchte und kleine Caipirinhas, zu erhalten waren. Leute standen an und wollten etwas trinken. Reggae-Musik umspülte das Geschehen. Alles ganz normal also. Aber die Musik war irgendwie vertraut und beamte mich zurück in meine Teenagerzeit.
Baba bapbaba, Baba bapbaba. Weil sie mir bekannt vorkamen, wurden die Worte nun lauter zwischen den üblichen Kaufhausgeräuschen: „Pass auf, dass du nicht geschnappt wirst./ Sie sind nämlich hinter dir her, du alter Kiffer,/ dabei geht ihre Gesellschaft am Alkoholismus zugrunde,/ aber dich jagen sie, DICH“. Und dann der Refrain: „Haschisch, feinstes Kaschmir,/ edelster Türke, afghanisches Gras,/ ein Plätzchen für mein Schätzchen“.
Das war der „African Reggae“ aus dem Jahr 1979, ein Stück von der zweiten Platte, die Nina Hagen im Westen veröffentlichte. Und so etwas im edlen Kaufhof! Seltsam. Ich schaute auf die anderen Kunden, ob vielleicht jemand für sich grinsen würde so wie ich. Doch niemand schien zu bemerken, was da eigentlich gespielt wurde, wie man früher gesagt hätte.
Es war interessant, sich an Nina Hagens Propagierung eines historisch denn doch wohl überholten drogenunterstützten Feminismus zu erinnern, zumal die Sängerin mittlerweile im Musikfernsehen erklärt, wie toll sie eine Band wie Rammstein finde. Vielleicht war es auch ein bisschen peinlich – wie eine Erinnerung ans Hermann-Hesse-Lesen etwa –, wenn man das Stück jetzt hörte. Denn so richtig brutal werden Kiffer ja nun doch nicht verfolgt.
Vermutlich hatte ein netter, subversiv gesinnter Mensch die Kassette eingelegt und freute sich jetzt. Vielleicht fand sich das Stück auch auf irgendeinem Sampler à la „Die besten Sunshine-Hits der 70er-Jahre“; so einem Sampler, bei dem es völlig egal ist, was die da singen, nur eingängig und erinnerungsträchtig sollte die Musik sein. Neulich lief ja auch bei „ran“ das Intro von Iggy Pops Punkklassiker „Lust for Life“.
Der Kaufhof war mir jedenfalls plötzlich sehr sympathisch, und in dem Gefühl, jemand hätte mir gerade zugeblinzelt, kaufte ich für 2,89 Euro eine auch für Veganer geeignete Packung Chips der britischen Firma Kettler, die die besten Chips der Welt herstellt.
Als ich ging, wurde schon etwas lauter, wie mir schien, „Bushdoctor“ von Peter Tosh gespielt – ein auch schon etwas älterer Haschisch-Legalisierungsklassiker, der wie die meisten fortschrittlichen Drogenbroschüren mit einem „Cigarette smoking is dangerous“ anfängt, um im späteren Verlauf all die angeblichen positiven medizinischen Effekte der verfolgten Volksdroge aufzuzählen: „Only cure for asthma“ – „Only cure for glaucoma“ (grüner Star). Der Kaufhof ist prima.
DETLEF KUHLBRODT