: Iraks Soldaten winken neue Jobs
Die USA wollen die irakischen Sicherheitskräfte verstärken. Ein Rückgriff auf die alte Armee würde deren Auflösung durch Administrator Bremer teilweise zurücknehmen. Aufrufe zu einem „Tag des Widerstandes“ werden in Bagdad nicht befolgt
von BEATE SEEL
Angesichts der zunehmenden Zahl von Angriffen auf ihre Truppen und Selbstmordanschlägen wollen die USA nicht nur verstärkt auf irakische Polizisten zurückgreifen, sondern auch auf Soldaten. Amerikanische Offiziere im Irak drängen die Regierung in Washington, entsprechende Schritte einzuleiten. Der US-Administrator Paul Bremer hatte die 500.000 Mann starke irakische Armee im Mai für aufgelöst erklärt. Der Rückkgriff auf irakische Soldaten würde diese umstrittene Maßnahme teilweise zurücknehmen.
Nach einem Bericht der gestrigen Ausgabe der New York Times (NYT) sollen Angehörige der mittleren Offiziersränge der regulären Armee hinsichtlich ihrer Vergangenheit und politischen Haltung überprüft werden, um zu verhindern, dass Anhänger Saddam Husseins in die neue Truppe aufgenommen werden. Die ausgewählten Offiziere sollen dann die ehemaligen Mitglieder ihrer alten Einheiten ausfindig machen und möglichst schnell wieder Kompanien und Bataillone aufstellen. Gedacht ist an eine Truppenstärke von 35.000 bis 40.000 Mann. Eine endgültige Entscheidung darüber ist jedoch noch nicht gefallen, wie die NYT schreibt.
Außerdem sollen die anderen Sicherheitseinheiten – Grenzschutz, Zivilverteidigung, Objektschutz – entsprechend aufgestockt werden. Wie Bremer am Samstag auf einer Pressekonferenz in Bagdad sagte, sollen bis September kommenden Jahres über 200.000 Iraker zur Landesverteidigung und Schutz der inneren Sicherheit eingesetzt werden. Bislang sind nach US-Angaben gut 50.000 irakische Polizisten im Einsatz. „Am wichtigsten ist es jetzt, die Iraker zu ermutigen, eine größere Rolle für die Sicherheit ihres Landes zu spielen“, erklärte Bremer.
Die Diskussion erfolgt nicht nur nach einer Zunahme von Anschlägen im Irak – täglich sind es derzeit etwa 25. Sie kommt auch zu einem Zeitpunkt, an dem klar ist, dass die USA nicht mehr darauf hoffen können, dass andere Staaten nennenswerte Kontingente an Soldaten entsenden. Selbst von türkischen Truppen ist jetzt aus politischen Erwägungen nicht mehr die Rede.
Die Entscheidung Bremers, die irakische Amee aufzulösen, war laut NYT in Absprache mit hochrangigen Beamten des Pentagons, der Weißen Hauses und anderer Regierungsabteilungen getroffen worden. Mitarbeiter des Pentagons erklärten gegenüber der Zeitung, es sei notwendig gewesen, vor der Erichtung eines demokratischen Irak die Armee aufzulösen. Außerdem sei sie bereits während des Krieges zerfallen.
Bremers Entscheidung hatte die Politik seines Vorgängers Jay Garner in ihr Gegenteil verkehrt. Garner hatte sich dafür eingesetzt, den Soldaten ihren Sold weiterzuzahlen, um sie für Maßnahmen des Wiederaufbaus einsetzen zu können und um zu verhindern, dass sie sich gegen die Besatzungskräfte wenden. Im Irak war Bremers Maßnahme unpopulär, da sie zahlreiche Familien um Lohn und Brot brachte.
Am Samstag, ein halbes Jahr nach dem offiziellen Kriegsende, legten Gerüchte über einen angeblich geplanten „Tag des Widerstandes“ das Leben in Bagdad teilweise lahm. Aus Angst vor Anschlägen blieben viele Menschen zu Hause; die Schulen bleiben weitgehend leer. Außerdem kursierten Flugblätter, in denen zu einem Generalstreik aufgerufen wurde. Doch die meisten Geschäfte blieben geöffnet. Auch zu Anschlägen kam es an diesem Tag in Bagdad nicht.