: Über den Schutzheiligen des Volkspalasts
Eine Architekturkonferenz im Palast der Republik widmet sich dem Briten Cedrik Price, dessen berühmtesten Projekte nie realisiert worden sind. Stargast Rem Koolhaas, ein echter Global Player der Architektur, spricht lieber über anderes
Da saß er nun inmitten all der Volkspalastkombattanten und ihren ambitionierten urbanen Theorien: Rem Koolhaas, ein echter Global Player der Architektur, der gleichzeitig in Peking, Harvard und St. Petersburg baut und nun am Wochenende Stargast einer Architekturkonferenz im Volkspalast war. Ein bisschen war ihm Verwunderung darüber anzumerken, dass der skelettierte Palast der Republik hierzulande eine derart hysterisch geführte Debatte ausgelöst hat, inklusive der für ihn in dieser Schärfe nicht recht nachvollziehbaren Feindseligkeit gegenüber der Fraktion der Schlossrekonstrukteure.
Gleich zu Anfang seines Vortrags legte er den Finger in eine ziemlich klaffende Wunde und stellte fest, dass es in der modernen Architektur nie eine echte Auseinandersetzung mit dem Bewahren und Rekonstruieren gegeben habe und dass er dies für ein Versäumnis halte. Im Wesentlichen redete er dann von den Versuchen seines Büros, bei den Planungen für die Eremitage in St. Petersburg und die Harvard-Universität, diese Auseinandersetzung zu versuchen, ohne im Kitsch zu verenden.
Koolhaas’ Verhältnis zu Berlin ist von affektiver Nähe geprägt. 1991 hatte Koolhaas wutentbrannt seinen Job als Preisrichter eines Komitees hingeworfen, das über den städtebaulichen Wettbewerb zum Potsdamer Platz entscheiden sollte. In einem berühmt gewordenen Zeitungstext hat er danach deren kleinbürgerliche, banale und altmodische Vorstellungen verurteilt und von einem „Massaker der Ideen“ gesprochen.
Die Konferenz am Wochenende war dem Schutzheiligen des Volkspalast-Projekts gewidmet, dem im vergangenen Jahr verstorbenen britischen Architekten Cedrik Price, dessen berühmtesten Projekte niemals realisiert worden sind. Ein Wochenende lang ging es um ein als „Fun Palace“ in die Architekturgeschichte eingegangenes Projekt von 1961: einen enormen variablen Bau, der als offener Raum Theater, Museen oder Universitäten aufnehmen sollte. Ein Konzept, dass Richard Rogers und Renzo Piano beim Plan für das Pariser Centre Pompidou und wohl auch Heinz Graffunder beim Palast der Republik inspirierte.
Eigentlich war Koolhaas angekündigt, über Cedric Price zu sprechen. Aber abgesehen davon, dass er recht schnell seine Zufriedenheit darüber zum Ausdruck brachte, dass der Fun-Palast niemals gebaut wurde, weil es ein absurdes, schematisches und wahrscheinlich absolut unlustiges Gebäude geworden wäre, hatte er wenig zu Price zu sagen. Stattdessen redete er vom fehlenden Verhältnis moderner Architekten zur Geschichte und ihren Bauten und wies auch Kritiker der Schlossrekonstruktion, die im Rahmen der Konferenz immer wieder viel Emphase in ihre Statements legten, diskret darauf hin, dass ihr vehementes Eintreten offensichtlich von der nostalgischen Vorstellung geleitet sei, das Architektur irgendeinen Beitrag zur Befreiung leisten könne. Natürlich hat auch Koolhaas nicht die geringste Ambition, für die Rekonstruktion des Stadtschlosses aufzutreten.
Doch die ganze Debatte um den Erhalt des Palastes der Republik zeichnet sich aus seiner Sicht durch einige strukturelle Schwächen aus. Insgesamt sei der Plan, diesen zentralen Berliner Ort zum Hauptquartier der Alternativkultur (Counterculture) zu machen, zwar ehrenhaft, jedoch zum größten Teil nur ornamental. Zu Zeiten, als der Palast noch in Gebrauch gewesen sei, habe Konsens geherrscht, dass es sich um ein rundweg geschmackloses Gebäude handeln würde. Nie habe er Gesprächspartner gefunden, wenn er damals die Vorzüge dieses Gebäudes diskutieren wollte. Insofern sei die Debatte inzwischen schon deutlich vorangekommen.
ESTHER SLEVOGT