Phänomen konstant

Wissenschaftler für Erhalt des Fixstern. EU-Studie zu Kokain und Crack: KonsumentInnen kommen über niedrigschwellige Angebote in Beratung

Hilfesystem bei Quantität und regionaler Verteilung nicht ausreichend

von ELKE SPANNER

Der Erhalt des „Fixstern“ im Schanzenviertel wird auch von wissenschaftlicher Seite unterstützt. Bei der gestrigen Präsentation der Hamburger Ergebnisse einer europäischen Studie zum Kokain- und Crack-Konsum sagte der Mitarbeiter des „Zentrums für interdisziplinäre Suchtforschung“ (ZIS) an der Uni-Klinik Eppendorf (UKE), Michael Prinzleve, dass er die vom Senat beschlossene Schließung des Drogenkonsumraumes für einen Fehler hält: Im Schanzenviertel gebe es eine relevante Gruppe an Crack-KonsumentInnen. Von einer reinen Drogenberatungsstelle, wie der Senat sie ersatzweise dort plant, würden diese nicht erreicht.

Die Erfahrungen würden zeigen, dass Süchtige an das Hilfesystem durch niedrigschwellige Angebote wie Konsumräume angebunden und über diese an Beratung herangeführt werden. „Man braucht das niedrigschwellige Angebot, um überhaupt etwas erreichen zu können.“

Auch der Geschäftsführer des ZIS, der Psychiater Christian Haasen, deutete Kritik in dieser Richtung an. Er bestätigte zunächst, dass Hamburg mit seinen ersten Angeboten für Crack-KonsumentInnen den Erkenntnissen der Studie zufolge auf dem richtigen Weg sei: Wichtig für diese Klientel seien Konsum- und Ruheräume, wie sie im neu eröffneten Drogenzentrum hinter dem Hauptbahnhof eingerichtet werden. Auch er vertrat aber die Meinung, das Hamburger Hilfesystem sei hinsichtlich der Quantität und „regionalen Verteilung“ der Angebote nicht ausreichend.

Die Studie zum Kokain- und Crack-Konsum wird seit Anfang 2002 parallel in zehn europäischen Staaten durchgeführt und von der Europäischen Kommission unterstützt. Bei der Untersuchung werden nicht nur die Konsummuster von Süchtigen aus der offenen Drogenszene untersucht, sondern auch die von PartygängerInnen, die nur gelegentlich Kokain nehmen. Für Hamburg haben die WissenschaftlerInnen des ZIS festgestellt, dass weniger als fünf Prozent der Bevölkerung zu diesem Rauschmittel greift. Crack, behandeltes Kokain mit hohem Suchtpotenzial, rauchen weniger als ein Prozent.

Dennoch ist das noch weit mehr als in den übrigen bundesdeutschen Städten: Nur in Hamburg und Frankfurt hat sich der Konsum von Crack als konstantes Phänomen etabliert. Dabei ist Crack in der offenen Drogenszene der Hansestadt zwar eine der wichtigsten Substanzen geworden, erläuterte ZIS-Geschäftsführer Haasen. Heroin als Hauptdroge habe es aber nicht abgelöst.

Dabei werden Kokain und Crack in der Regel nicht ausschließlich, sondern zusammen mit anderen Stoffen konsumiert – sowohl in der offenen Drogenszene als auch von den „sozial integrierten“ KonsumentInnen. Die nehmen die anderen Wirkstoffe oftmals zusätzlich, um unerwünschte körperliche oder psychische Reaktionen auf das Kokain oder Crack abzufedern. Während Junkies in der offenen Drogenszene dafür in der Regel Heroin einsetzen, nehmen sozial integrierte KokainkonsumentInnen eher Tabletten ein.

Für diese KlientInnen, so Haasen, seien eigene Beratungsangebote wichtig. Wer nur gelegentlich auf Partys Kokain konsumiert, wolle nicht mit der Drogenszene in Zusammenhang gebracht werden und folglich nicht die Einrichtungen aufsuchen, die hauptsächlich auf diese ausgerichtet sind. Suchen diese Menschen Beratung auf, dann in der Regel nur, um Informationen über das Kokain zu bekommen, wie zum Beispiel über dessen Abhängigkeitspotenzial.

Sinnvoll für diese Klientel sei es laut den WissenschaftlerInnen des ZIS, einfach HausärztInnen verstärkt zum Thema Drogen zu schulen. „Wichtig ist es“, sagte Haasen, „dass diese Konsumenten ihre Informationen außerhalb des regulären Drogenhilfesystems bekommen.“