: Zuwachs an Größe
Mainz beweist beim 2:1 gegen Werder, dass es gegen die Besten nicht nur bestehen, sondern auch gewinnen kann
MAINZ taz ■ Vor dem Spiel boten noch Rettungssanitäter ein paar Wiederbelebungsaktionen dar. Im Mainzer Bruchwegstadion zeigten sich der FSV Mainz 05 und Werder Bremen dann jedoch von Beginn an quicklebendig – so, wie man es eben von Spitzenteams erwarten darf, die auf Uefa-Cup-Rängen rangieren. „Das war ein richtig gutes Bundesligaspiel“, meinte hernach auch FSV-Trainer Jürgen Klopp, „man hätte ein Lehrvideo für Pressing und Gegenpressing drehen können.“
Es scheint, als müsste man sich an einige Mainzer Erstligarituale dauerhaft gewöhnen: Rund 20.000 behaupten vor dem Anpfiff in einer Fastnachts-Schunkel-Schnulze, am Rosenmontag geboren zu sein, die Zwischenergebnisse der anderen Bundesligaspiele werden mit einem Tusch angekündigt – und auf dem Spielfeld stellt der FSV seine Gegner mit höchst ansehnlichem Fußball regelmäßig vor große Schwierigkeiten. Er kann nicht nur in der ersten Liga mithalten, sondern sogar die Großen der Zunft, wie Werder Bremen am Samstag, völlig verdient mit 2:1 besiegen. Den amtierenden deutschen Meister und Pokalsieger wohlgemerkt, der nicht einmal schlecht spielte.
„Wir wollten gegen Werder so pressen, dass sie auf keinen Fall ihr Spiel entfalten können“, verriet der Ex-Bremer Manuel Friedrich die Mainzer Rezepte für modernen Fußball. Der Coach behauptete, angesichts der Art, wie seine Jungs mit spielerischem Glanz immer wieder zu besten Gelegenheiten kamen, sei ihm auch nach dem Rückstand nicht bange gewesen. „Wir sind in einen Konter gelaufen – mehr ist ja nicht passiert“, kommentierte Klopp den Gegentreffer durch Angelos Charisteas lapidar. FSV-Torhüter Dimo Wache wiederum widerspricht gerne der These, der kesse Neuling habe auf der Welle der Euphorie einen befristeten Lauf – harte Arbeit sei dies und kein Zufallsprodukt.
„In der 80. Minute habe ich nicht mehr an den Sieg geglaubt, vielleicht höchstens noch auf ein Unentschieden gehofft“, gab Siegtorschütze Benjamin Auer zwar zu – auf dem Feld haben sich die Mainzer davon jedoch recht wenig anmerken lassen. „Wir haben hinten auf drei Mann umgestellt, trotzdem ist die Ordnung nie verloren gegangen“, sagte Klopp nach den beiden späten Treffern von Einwechselspieler Niclas Weiland und Auer nach zwei Hereingaben von Ranisav Jovanovic: „Wir sind nicht von diesem Sieg überrascht, das war ganz harte Arbeit – meine Jungs sind bis zum Schluss in jeden Zweikampf gegangen.“
Tatsächlich machte dies den siegbringenden Unterschied zwischen zwei spielstarken Mannschaften aus. Während Bremens Mittelfeld-Regisseur Johan Micoud nach seinem Zuckerpass zum Führungstreffer wohl bereits an den Feierabend dachte, deutlich einen Gang zurückschaltete und in der Schlussphase nach einem verlorenen Zweikampf Jovanovic ungestört zum Flankenlauf für den 2:1-Siegtreffer enteilen ließ, warfen sich die Mainzer tief in der Bremer Hälfte über die gesamte Spielzeit in die Zweikämpfe.
Etwa der Mainzer Mittelfeld-Wusler Mimoun Azaouagh, der mittlerweile mit Antonio da Silva im offensiven Mittelfeld kombinationssicher und trickreich Akzente für den FSV-Tempo-Fußball setzen kann. Auch nach dem Rückstand stürzte er sich unverdrossen auf die Gegner und schuf als stärkster Akteur auf dem Feld immer wieder mit seinen Haken und Dribblings Freiräume für seine Mitspieler. „Man hat gesehen, dass man, wenn man bis zur letzten Sekunde bei einer Begegnung dabei ist, so ein Spiel auch gewinnen kann“, erkannte Meister-Coach Thomas Schaaf: „Wir haben das Spiel nach der Führung aus der Hand gegeben, weil wir danach zu wenig getan haben.“
Der Rest ist mittlerweile natürlich auch ein wenig Eigendynamik beim aktuellen Tabellendritten FSV Mainz 05. „Wir glauben einfach an uns und spielen auch nach einem Rückstand weiter, weil wir nun das Selbstvertrauen haben“, brachte es Fabian Gerber auf den Punkt: „Aber es ist keine Schande, gegen uns zu verlieren, wir spielen mittlerweile auch einen ganz guten Ball – jetzt dürfen wir nur nicht vergessen, auch gegen die Kleinen zu punkten.“ Zu diesen zählen die Mainzer sich selbst offenkundig nicht mehr. KLAUS TEICHMANN