Unwürdige Laserpistolen

Der Europäische Gerichtshof stellt es deutschen Kommunen frei, Lasersport-Veranstaltungen mit Verweis auf die Menschenwürde zu verbieten. Die Betroffenen sehen sich unnötig eingeschränkt

VON CHRISTIAN RATH

Die Freunde der Laserpistolen sind sauer: „Ich hasse unsere Politiker und Behörden immer mehr, hier wird man immer mehr beschnitten, man darf bald gar nichts mehr“, schreibt ein erboster Fan namens „Cocker“ in einem Internetforum. Und „Omikron99“ legt nach: „Ich glaube mit unseren Möchtegern-Menschenschützern und der verdrehten Bürokratie gibt es sonst in keinem Land so viele Stolpersteine wie hier. Wie gut, dass andere immer wissen, was für einen selbst bzw. eine Personengruppe das Beste ist.“ Dabei wollen diese Menschen doch nur einen in ihren Augen völlig harmlosen Sport ausüben – so harmlos wie Fechten oder Völkerball.

Die Empörung wäre wohl auch groß, wenn der Fechtsport verboten würde, weil dabei das Töten von Menschen simuliert wird. Auch gäbe es wohl wenig Verständnis, wenn Völkerball im Schulsport untersagt würde, weil es kriegsverherrlichend ist. Dagegen werden neuere Spielformen in Deutschland von den Behörden schnell auf den Index gesetzt. So etwa der so genannte Lasersport.

1994 eröffnete in einem Bonner Gewerbegebiet eine 700 Quadratmeter große kommerzielle Spielhalle namens Laserdrome. Dort konnte man mit maschinenpistolenähnlichen Laserzielgeräten auf Mitspieler „schießen“. An deren Westen waren Sensoren angebracht, die die Treffer registrierten. Blutrünstiger als Fechten oder Völkerball ist das eigentlich nicht.

Doch die Stadt Bonn untersagte dem Laserdrome alsbald den weiteren Betrieb. Das „spielerische Töten“ von Menschen verstoße gegen grundlegende Wertvorstellungen der Allgemeinheit. Deutsche Gerichte, zuletzt das Bundesverwaltungsgericht im Jahr 2000, bestätigten das Verbot, weil der Lasersport die Menschenwürde verletze.

In England sieht man das wohl anders. Dort sind Laserdrome-Anlagen zulässig. Der Bonner Betreiber hatte auch sein Know-how und Zubehör in England besorgt. Deshalb fand er, dass die strenge deutsche Rechtsprechung unnötig den freien Warenverkehr behindere.

Jetzt entschied der Europäische Gerichtshof (EuGH), dass deutsche Kommunen durchaus Spielhallen verbieten dürfen, die die Tötung von Menschen simulieren. Dabei werde zwar der Warenverkehr eingeschränkt, aber dies sei gerechtfertigt. Es sei auch nicht notwendig, die Menschenwürde in Europa einheitlich auszulegen. Ein Verbot sei selbst dann möglich, wenn ein Produkt oder dessen Anwendung nur in einem EU-Staat als Verletzung der Menschenwürde angesehen wird. Dabei argumentieren die Anhänger der Laser-Schießereien, dass doch jeder, der eine solche Veranstaltung besuche, ganz genau über deren Charakter Bescheid wisse – und sich sicherlich kein Teilnehmer von seinem Freizeitvergnügen in der Menschenwürde verletzt sähe. In Deutschland allerdings ist es nicht unüblich, dass der Verweis auf die Menschenwürde benutzt wird, um Moralvorstellungen der gesellschaftlichen Mehrheit gegen die Betroffenen durchzusetzen.

Für das Bonner Laserdrome, das seit 1995 leer steht, ist dies das endgültige Aus. Der Betreiber, eine Omega Spielhallengesellschaft, hatte schon im Mai 2004 Insolvenz angemeldet. Investitionen in Höhe von etwa 1,2 Millionen Euro sind verloren.

Ähnlichen Streit gibt es um das Spiel Paintball, bei dem auf die Mitspieler Gelatinekugeln geschossen werden, die mit Farbflüssigkeit gefüllt sind. Das Verwaltungsgericht Stuttgart hatte im Februar das Verbot einer Paintball-Anlage in Stuttgart-Zuffenhausen wieder aufgehoben. Auch hier hatten die Behörden eine Verharmlosung von Tötungshandlungen gesehen. Die Richter wiesen darauf hin, dass das „Markieren“ nur ein Aspekt von Paintball sei. Hauptziel sei die Eroberung der gegnerischen Fahne. Paintball sei jedenfalls nicht gewaltverherrlichender als etablierte Sportarten wie Boxen, Eishockey oder Rugby.

Bayern hatte jüngst versucht, Lasersport und Paintball durch eine Bundesratsinitiative generell zu verbieten, fand im Bundestag aber keine Mehrheit.