Kampf um 42 Bochumer Opeljahre

Opel ist seit über 40 Jahren einer der wichtigsten Arbeitgeber des östlichen Ruhrgebiets. Die Geschichte des Bochumer Werks verlief dabei wechselhaft. Den erfolgreichen ersten 30 Jahren folgt der erbitterte Kampf um die Existenz

BOCHUM taz ■ Für die Beschäftigten der drei Bochumer Opel-Werke sind Arbeitsniederlegungen nichts Neues. Seit der Inbetriebnahme des Standorts im Jahre 1962 kämpfen die Opelaner um ihre Existenz – und gegen den Stellenabbau. Nach dem Niedergang der Ruhrkohle war Opel der Hoffnungsträger der Region. 20.000 Mitarbeiter waren dort in Hochzeiten beschäftigt. Mittlerweile liegt die Zahl bei 9.600. Zum Vergleich: Am deutschen Stammsitz in Rüsselsheim sind rund 20.000 Menschen beschäftigt. Mit über 7.000 Arbeitern in der Produktion nimmt Bochum unter den elf europäischen Standorten des Mutterkonzerns General Motors (GM) allerdings die Spitzenstellung ein. Europaweit beschäftigt GM mit seinen Marken Opel, Saab und Vauxhall derzeit 63.000 Mitarbeiter.

Die Produktion im Bochumer Opelwerk begann vor 42 Jahren mit dem Kadett A. Weitere Modelle des Erfolgsautos folgten. Mit Auslaufen des Kadetts im Jahre 1993 geriet auch der Konzern in die Verlustzone. Das in Bochum produzierte Nachfolgemodell Astra konnte die Verluste nicht auffangen. Der 1999 auf das Band gebrachte „Kleinst-Van“ Opel Zafira wurde als „Abschreibemodell“ für das Bochumer Werk betrachtet. Doch der Zafira setzte sich durch und die Produktion in Bochum lief weiter.

Innerhalb der letzten zehn Jahre wurde die Belegschaft am Standort Bochum halbiert. Besonders die Auslagerung ganzer Produktionsbereiche an Fremdfirmen ist für den schleichenden Stellenbau verantwortlich. Den Anfang machte im Jahr 1989 die Polsterei. Es folgten etliche andere Bereiche. Die Motorenproduktion wurde an das Unternehmen Powertrain abgegeben – einem Joint-Venture von General Motors und Fiat. Im vergangenen Sommer wurde die Motorenproduktion völlig eingestellt. Im Bochumer Werk waren im Jahr 2001 über 1.000 Arbeiter bei Fremdfirmen angestellt – zu wesentlich niedrigeren Löhnen als die Opelaner.

Vor fünf Jahren wurde vom Konzern das Ziel ausgegeben, die Bochumer Belegschaft bis spätestens zum Jahr 2005 auf 7.000 Beschäftigte herunter zu fahren. Außerdem hatte General Motors im Jahr 2001 im Rahmen der so genannten „Opel-Olympiade“ den Plan, innerhalb von zwei Jahren zwei Milliarden Euro einzusparen – vor allem auf Kosten der Arbeiter.

Als einen „Akt der Würde“, bezeichnet Wolfgang Schaumberg, ehemaliger Opelaner und über 25 Jahre lang oppositioneller Betriebsrat, auf der oppositionellen Gewerkschaftsseite labournet.de die spontanen Arbeitsniederlegungen der Opelaner. Die Bochumer Belegschaft habe bereits „viele negative Erfahrungen mit dem Warten und Hoffen auf Aktionen von oben“ gemacht.

90 Prozent der Arbeiter sind in der IG Metall organisiert. „Wir waren die Spanier in Europa; wenn wir wollten, standen überall die Werke still“, sagt Peter Jaszczyk, ehemaliger Bochumer Betriebsratschef. Fast alle europäischen Werke sind auf die Lieferungen aus Bochum angewiesen. Aktuell gibt es am Opel-Standort im belgischen Antwerpen einen Produktions-Engpass, weil Zulieferteile aus Bochum fehlen.

1998 schafften es die Streikenden, dass der Konzern 50 Leute zusätzlich einstellte, Zeitverträge verlängerte und die Bandgeschwindigkeit um 2,5 Prozent verringerte. Anfang 2001 verhinderten europaweite Arbeitsniederlegungen die Schließung des britischen Vauxhall-Werks in Luton. Am heutigen europaweiten Aktionstag sind die Bochumer Opelaner auf die Solidarität ihrer sonst weniger kampferprobten Kollegen angewiesen.

HOLGER PAULER

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