„Außerordentliche Gewalt“

Vor fünf Jahren veließ Isa C. mit einer gebrochenen Hüfte eine Polizeiwache. Gestern erklärte sich die Stadt bereit, 10.000 Euro zu zahlen. Doch bestraft wurde niemand

Bremen taz ■ 10.000 Euro Schmerzensgeld und Schadensersatz muss die Stadtgemeinde Bremen einem Mann zahlen, der im Februar 1998 nach einer Verkehrskontrolle auf der Polizeiwache in der Sandstraße landete – und diese mit einer gebrochenen Hüfte wieder verließ. Wie es genau zu dieser schweren Verletzung gekommen war, konnte die Zivilkammer des Landgerichts gestern auch nach der Aussage des letzten Zeugen nicht abschließend klären. Allerdings kam das Gericht zu dem Schluss, dass die Polizeibeamten außerordentliche Gewalt angewendet haben mussten bei dem Versuch, den damals 46-jährigen Isa C. festzuhalten, damit diesem Blut abgenommen werden konnte.

Weder die Polizisten noch der gestern vernommene Arzt, der damals das Blut entnommen hatte, konnten sich erinnern, dass es zu der „außerordentlichen Gewalteinwirkung“ gekommen war. Ein medizinisches Gutachten überzeugte das Gericht aber davon, dass die Hüfte nur so gebrochen werden konnte. „Es bleibt ein Rätsel, aber es ist passiert“, sagte der vorsitzende Richter Helmut Gass. Und: „Dem ersten Anschein nach spricht alles für die Schuld der Polizei.“

Zu einer Verurteilung kam es dennoch nicht, da Stadt und Kläger dem Vergleich über 10.000 Euro zustimmten. Damit bekam Isa C. nur die Hälfte dessen, was er gefordert hatte. Der Grund: Er hätte sich nach Auffassung des Gerichts nicht so gegen die Maßnahmen der Polizei wehren dürfen, eine Verkehrskontrolle und eine Blutentnahme müsse man als Bürger erdulden, so das Gericht – auch wenn man wie Isa C. panische Angst vor Spritzen hat. Dieser wollte sich auf den Vergleich erst nicht einlassen, wurde dann aber vom Richter nachdrücklich darauf hingewiesen, dass er auch bei einer Verurteilung nicht wesentlich mehr Geld bekommen würde und zudem das Urteil in der nächsten Instanz wieder aufgehoben werden könne.

Der Anwalt des Geschädigten, Armin von Döllen, wies darauf hin, dass möglicherweise die Krankenkasse seines Mandanten versuchen könnte, einen Teil der Krankenhauskosten– „die gehen sicher in die Hunderttausende“ – von der Stadt zurückzufordern.

Für Isa C. ist das letztendlich unerheblich. Er hat noch immer Schmerzen und kann nicht lange stehen. Außerdem konnte niemand zur Rechenschaft gezogen werden, auch wenn unstrittig ist, dass es einen oder mehrere Täter geben muss. Das Strafverfahren gegen die Polizisten war nämlich wegen Beweismangels längst eingestellt worden – genau wie im Fall des Studenten Tim Koehne, der in der Silvesternacht vor dreieinhalb Jahren dieselbe derweil geschlossene Wache ebenfalls mit schweren Verletzungen verlassen hatte. Auch er musste sich mit einem Vergleich begnügen, da die Polizisten sich an nichts erinnern konnten.

Eiken Bruhn