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Archiv-Artikel

Schlechte Verbindung

Die Blogger-Szene trifft sich zu einer Konferenz. Was da dem einen modern erscheint, ist für andere ein alter Hut

Avantgardistisch. Kommunikativ. Zumindest verbunden mit dem Internet. Das erwartet man von der Blogger-Konferenz re:publica in Berlin. Doch vor Ort wird’s peinlich. Gleich zum Start flimmert „WLAN kommt bald“ auf der übergroßen Leinwand im Friedrichstadtpalast. Nahezu drei Stunden gibt es kein Internet. „You are not connected to the internet“ taucht immer wieder an der Wand auf. Gelächter im Publikum.

Leider sind die Referenten mehr mit sich selbst beschäftigt als „Leute, die eigenen Content produzieren“. Obwohl genau das der Gast Stefan Niggemeier fordert. Scheinbar gibt es nicht nur im Netz, sondern auch auf der Konferenz zu wenige solcher Menschen. Entsprechend gelangweilt sitzen die Teilnehmer vor ihren Laptops. Dessen Licht in diesem Moment die einzige Erleuchtung ist. „Panel to boring“, schickt „sv“ seine Botschaft in den Microbloggingdienst Twitter.

Leider hapert es auch an der Verbindung zu den Teilnehmern. „Hallo Podium: Es gibt Fragen aus dem Saal!“, twittert labomat. Worum es hier geht, wissen die Gäste scheinbar nicht. So twittert ReTweetThief: RT @Tormonster „Das Thema war ‚Wandel‘, oder?“ Die Beschwerden gehen weiter: „In kaum einer Veranstaltung wird die Streitkultur gepflegt.“ Aber: Geht es bei Bloggen nicht um Kommunikation? Spätestens als der Veranstalter, wie im Vorjahr, die Twitterwall anschaltet, sind die Referenten mit dem Dauer-Feedback überfordert. Innerhalb weniger Sekunden twittern und simsen alle so schnell drauflos, dass man die einzelnen Nachrichten gar nicht mehr lesen kann. Die Panel-Gäste sind irritiert. Von den schnellen Kommunikationsprozessen, über die eigentlich SIE reden sollten. „Könnte die Diskussion bitte den allgemeinen Stand von 2009 voraussetzen?“, fragt m vollenfiete_stegers. Ein anderer: „Ich bin dafür, dass es nächstes Jahr auf der #rp09 kein Programm mehr gibt. Dafür dann aber eine viel größere Twitterwall.“ Genau das wollen die Teilnehmer: Kommunikation und Avantgarde im Jetzt.

Die Twitterwall – eine gute Idee – verliert in der Umsetzung ihre Wirkung. Die Stimmung schwankt: Von enttäuschenden Tweets – „Wenn das Panel noch länger dauert, lösche ich aus purer Verzweiflung meinen Twitteraccount“ – zu verspottenden „Achtung Geheimtipp: Mobil ist das neue Ding.“

Damit kann die re:publica ihr Motto „Shift happens“ bislang noch nicht einhalten. Da bleibt nur zu hoffen, dass sich das mit der Veränderung auf die Konferenz selbst bezieht und sich bis heute etwas verbessert. Sonst wird es wohl nur zwei Highlights für die Blogger geben: die Sonne vor dem Friedrichstadtpalast und die unzähligen Tweets. Dafür braucht’s jedoch keine Konferenz. Das kann das Web 2.0 auch allein. KATHARINA FINKE