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Archiv-Artikel

SPD in der Zwickmühle

Der Ausstand in Bochum stürzt die Sozialdemokraten in die Krise. Bundeswirtschaftsminister Clement fordert Wiederaufnahme der Arbeit. Vor Ort aber unterstützen nicht nur Lokalpolitiker den Streik

KÖLN taz ■ Der andauernde Streik der Bochumer Opelaner hat die Genossen an Rhein und Ruhr schwer in die Bredouille gebracht. Denn die Opel-Krise könnte für sie der letzte Sargnagel sein, der ihre Niederlage bei der Landtagswahl im kommenden Mai besiegelt. Und bisher haben sie noch keine einheitliche Linie gefunden, wie sie mit dieser Gefahr umgehen sollen. Wie brenzlig die Situation ist, erfuhr SPD-Landesschef Harald Schartau vor wenigen Tagen schmerzlich am eigenen Leib: Der frühere IG-Metall-Bezirkschef und heutige NRW-Arbeitsminister wurde bei seinem Besuch in Bochum gnadenlos ausgebuht. Damit ihm das nicht noch einmal passiert, ist er nun unüberhörbar auf Distanz zu seinem Parteifreund Wolfgang Clement gegangen: „Ich habe die Belegschaft nicht aufgerufen, die Arbeit wieder aufzunehmen“, sagte Schartau der taz.

Clement hatte am Rande der gestrigen SPD-Präsidiumssitzung in Berlin erneut die Bochumer Opelaner dazu aufgerufen, ihre Arbeitsniederlegung zu beenden. „Ich hoffe, dass bald wieder die Arbeit aufgenommen wird“, sagte der Bundeswirtschaftsminister: „Alles andere ist gewiss nicht von Vorteil.“ Zwar habe er durchaus Verständnis für die Mitarbeiter. „Aber es ändert nichts daran, dass ich das für falsch halte, was da stattfindet.“ Das müsse „endlich mal klar ausgesprochen werden“, sagte der Ex-Bochumer. Eine Verhandlungslösung dürfe nicht durch Arbeitsniederlegungen gefährdet werden.

Während Clement in Berlin klar Position bezog, verteilte Carina Gödecke vor Ort Flugblätter ihres SPD-Unterbezirks für die heutige Protestkundgebung in Bochum. Die parlamentarische Geschäftsführerin der nordrhein-westfälischen SPD-Landtagsfraktion hat ihren Wahlkreis im Krisengebiet. „Es ist 5 vor 12!“ und „Bochum kämpft für Opel“ steht in großer, fetter Schrift auf den Zetteln, die sie verteilt. „Es ist richtig, dass Politik nicht nur aus dem Bauch heraus, sondern mit kühlem Kopf entscheiden muss“, sagte Gödecke zur taz. „Wenn man aber wie ich eine enge Bindung an das Werk hat, mein Vater war Opelaner, dann versteht man die Ängste der Beschäftigten sehr gut.“ Deswegen hat sie gemeinsam mit SPD-Landtagsfraktionschef Edgar Moron dem Bochumer Opel-Betriebsrat eine Grußadresse zukommen lassen: Die sozialdemokratische Landtagsfraktion „unterstützt Euch in Eurem Kampf für die dauerhafte Sicherung der Arbeitsplätze und der Produktion am Standort Bochum“, heißt es darin. Und: „Ihr habt unsere uneingeschränkte Solidarität.“

Unterdessen rief Ministerpräsident Peer Steinbrück zur Besonnenheit auf: „Zunächst kann man die Wut, die Empörung und die Unsicherheit natürlich verstehen“, sagte der Sozialdemokrat. „Es fiele mir nicht so schwer, eine Rede zu halten, die diese Wut und Empörung weiter steigern könnte. Aber das hilft uns nicht.“ Um am Ende den Bochumer Standort wettbewerbsfähig in eine langfristige Perspektive zu bringen und betriebsbedingte Kündigungen zu vermeiden, „müssen wir uns sehr besonnen und sehr professionell mit einer solchen Lösung beschäftigen“. Und da sei „Wut und Empörung zwar verständlich, aber wahrscheinlich nicht wegweisend für die Kärrnerarbeit an einer Lösung“. Stattdessen bot Steinbrück an, er stünde „als Vermittler an jedem Ort dieser Welt bereit, wenn dies erforderlich ist, eine verträgliche Lösung zu finden“.

PASCAL BEUCKER