: Dortmund integriert
Um die Bildungschancen von Kindern und Jugendlichen zu verbessern erteilen Dortmunder Lehramtsstudenten kostenlosen Förderunterricht
VON ULLA JASPER
Die niederschmetternden Ergebnisse der Pisa- und Iglu-Studien haben auch in Dortmund ein Umdenken in der Schul- und Bildungspolitik bewirkt. Im Rahmen des „Dortmunder Förderprojekt Sprachliche Kompetenz“ erteilen 50 LehramtsstudentInnen an sieben Schulen im Norden der Stadt deutschsprachlichen Förderunterricht, um die Bildungschancen von Schülerinnen und Schülern ausländischer Herkunft zu verbessern.
Nachdem die Bildungsstudien gezeigt hatten, dass Kinder und Jugendliche mit Migrationshintergrund vielfach nur über unzureichende Kenntnisse der deutschen Sprache verfügen und diese Defizite auch im normalen Schulunterricht oft nicht behoben werden können, sollen die Kinder nun durch „individualisierten Kleingruppen-Unterricht“ die Chance erhalten, ihre schulischen Leistungen zu verbessern. Weil viele Kinder ausländischer Familien zu Hause und in ihrer Freizeit überwiegend in ihrer Muttersprache kommunizierten, reiche die normale Förderung im Schulunterricht oft nicht aus: „In vielen Familien ist das gesamte Umfeld der Kinder muttersprachlich“, so Ulrike Klingsporn, die Leiterin der Regionalen Arbeitsstelle zur Förderung von Kindern und Jugendlichen (RAA), die das Projekt mit koordiniert. Dass die Ursachen der mangelhaften Förderung ausländischer Kinder aber gerade auch in verfehlter Schulpolitik zu suchen sind, verhehlt Klingsporn nicht. Die Schulklassen seien viel zu groß und die Lehrer oft fachlich nicht angemessen ausgebildet, um auf die Schwächen nicht deutschsprachiger Kinder individuell einzugehen. Auch deshalb betonen die Projektmacher, dass die angehenden LehrerInnen enorm von ihrer Arbeit profitieren und Praxiserfahrung für ihre spätere Arbeit sammeln können.
Den Schwerpunkt der Förderung bildet die Arbeit mit Kindern der dritten und vierten Klasse, um sie auf den Schulwechsel nach der vierten Klasse vorzubereiten. „Wichtig ist, dass so früh wie möglich gefördert wird“, betont Klingsporn. Zielgruppe des Projekts sind aber nicht nur Migrantenkinder, wie Klingsporn ergänzt. Es gebe mehr und mehr deutschsprachige Kinder, deren Sprachkompetenz unzureichend sei und die deshalb auch gefördert werden müssten.
Getragen und inhaltlich begleitet wird der Zusatzunterricht von der RAA, dem Zentrum für Lehrerbildung der Uni Dortmund, dem Sprachenzentrum sowie dem Institut für Deutsche Sprache und Literatur. Neben der finanziellen Förderung durch die Stadt, die rund 28.000 Euro jährlich bereitstellt, wird das Förderprojekt insbesondere durch die Essener Stiftung Mercator getragen, die 180.000 Euro für zwei Jahre zur Verfügung gestellt hat.
Das Dortmunder Projekt geht zurück auf eine Initiative der Uni Essen. Dort werden bereits seit Anfang der 70er Jahre Kinder und Jugendliche ausländischer Herkunft sprachlich und fachlich gefördert. „70 Prozent unserer Lehrer sind mehrsprachig und rund ein Viertel von ihnen hat früher selbst an unseren Förderkursen teilgenommen“, beschreibt Dr. Claudia Benholz den Erfolg des „Essener Modells“. Dadurch hätten die Lehrer eine viel größere Sensibilität für die sprachlichen und fachlichen Probleme der Kinder. Auf die Schüler wirke das außerdem als Ansporn, so Benholz. Die Zahlen scheinen das zu belegen: „Im letzten Jahr haben 93 Prozent unserer Schüler die Versetzung geschafft.“ Der Erfolg hat sich herumgesprochen: Im Jahr 2002 zeichnete der damalige Bundespräsident Johannes Rau das Essener Modell mit dem ersten Preis im Wettbewerb zur Integration von Zuwanderern aus.