Streit bei Frankreichs Sozialisten

Verfassungsvertrag des EU-Konvents spaltet Partei in zwei Lager. Der Parteichef und Befürworter des Projektes François Hollande sucht Rückendeckung bei der SPD

PARIS taz ■ Die französischen SozialistInnen hätten viele Gründe, gelassen zu sein: Bei sämtlichen Wahlen dieses Jahres haben sie hübsche Erfolge erzielt, die rechte Regierung ist in politischen Nöten und im Vordergrund der Debatte in Frankreich stehen soziale Fragen, was eigentlich auch die Linke begünstigt.

Doch die SozialistInnen streiten. Mit sich selbst. Der Grund für ihre tiefste Krise seit Jahren ist der Verfassungsvertrag des EU-Konvents. Die eine Hälfte der Partei, darunter ihr Chef François Hollande, hält ihn für eine Verbesserung. Die andere Hälfte der Partei, darunter Vizechef Laurent Fabius, lehnt ihn ab – unter anderem deshalb, weil darin keine soziale und steuerliche Harmonisierung in der EU vorgesehen ist.

Schon vor der parteiinternen Abstimmung am 1. Dezember geht eine tiefe Spaltung durch die sozialdemokratischen Reihen. Heute reist Parteichef Hollande nach Berlin. Er will Hilfe bei der SPD suchen. „Was immer die SPD unternimmt, um den Nutzen des Vertrages zu erklären, ist gut“, sagt er vor seiner Abreise, „die französischen Sozialisten werden das hören.“

„Wir haben dieselben Fragen“, meint Hollande, bevor er heute SPD-Chef Franz Müntefering trifft, „aber unsere Antworten sind unterschiedlich.“ Die Hauptfragen, die Hollande besprechen will, sind der EU-Verfassungsvertrag und die Beitrittsverhandlungen mit der Türkei.

Über beides wird in Frankreich kontrovers debattiert. Zumindest im Inneren der politischen Parteien. Eine klare Position (für ein Nein beim Referendum) haben bislang lediglich die französischen KommunistInnen, die SouveränistInnen und die Rechtsextremen. Im Gegensatz zu den Deutschen dürfen die FranzösInnen ihre Meinung zu dem EU-Verfassungsvertrag abgeben. Staatspräsident Jacques Chirac hat ein Referendum für das nächste Jahr angekündigt. Die exakte Fragestellung und auch der Termin stehen noch nicht fest. Aber mit der Ankündigung am Nationalfeiertag, dem 14. Juli, hat Chirac es bereits geschafft, die oppositionelle PS lahm zu legen.

Ihr einziges Thema scheint seither der Verfassungsvertrag zu sein. Selbst ihre beiden Führungsgremien sind uneinig. Das nationale Büro neigt im Augenblick eher in Richtung eines „non“. Der nationale Rat eher zu einem „oui“. Im Kreis der sozialdemokratischen Parteien in der EU ist die PS mit dieser Position isoliert.

Parteichef Hollande mag keine Prognose für die parteiinterne Abstimmung abgeben. Aber für den Fall des Sieges eines „non“ sagt er bereits Riesenprobleme voraus. „Von unserer Debatte hängt die Antwort des französischen Volkes ab“, erklärt er vor seiner Abreise nach Berlin bei einem Pressegespräch, „und auch die Zukunft Europas.“ Damit käme der PS mit ihren nur 125.000 Mitgliedern eine verantwortungsvolle Rolle zu. Zumal am 1. Dezember wenige hundert PS-Stimmen den Ausschlag geben können.

Unklar ist auch, welche parteiinternen Auswirkungen der Sieg eines „non“ hätte. Die BefürworterInnen des Verfassungsvertrages, die sich jetzt in Veranstaltungen quer durch Frankreich und im Falle von Hollande auch im europäischen Ausland für ein „oui“ engagieren, können nach einer eventuellen parteiinternen Niederlage keine glaubwürdige Kampagne mehr für ein „non“ im Referendum führen. Dennoch sagt Hollande kategorisch: „Es gibt keine automatischen Konsequenzen.“ Hollande will die gegenwärtige EU-Debatte und die Bestimmung des/der künftigen PS-PräsidentschaftskandidatIn sorgfältig voneinander trennen. Auch diese Position ist in der PS umstritten.

DOROTHEA HAHN