Konsens gegen Kopfpauschalen

SPD, Grüne und Gewerkschaften bekennen sich zur Minimal-Bürgerversicherung

BERLIN taz ■ Erstmals haben sich gestern SPD, Grüne und Gewerkschaften zusammen vor die Presse gesetzt, um einen gemeinsamen Entwurf einer Bürgerversicherung zu präsentieren. Das Ergebnis lautet: keine Kopfpauschale. SPD-Generalsekretär Olaf Scholz, Grünen-Parteichef Reinhard Bütikofer und DGB-Vizechefin Ursula Engelen-Kefer hatten beträchtliche Mühe, ihre Ideen zur Zukunft der Krankenversicherung so darzustellen, dass sie nach mehr als einer bloßen Abwehr der Unions-Pläne aussahen.

Auch das, was bislang als Bürgerversicherungs-Minimalkonsens galt, war offenbar nicht klar unter den dreien: „Wir wollen doch, dass alle in die Bürgerversicherung einzahlen, oder?“, fragte Engelen-Kefer zwischendurch die beiden Herren neben sich auf dem Podium.

Doch dies zumindest wurde deutlich: Die Regierungsparteien und die Gewerkschaften wollen bis zur nächsten Bundestagswahl 2006 weiter über die Bürgerversicherung als eine Krankenversicherung diskutieren, in die alle Bürger mit allen ihren Einkommen einbezogen werden. Wobei auch das ein klein bisschen von Scholz eingeschränkt wurde: Übrigens sei eine Einbeziehung von Kapitaleinkünften auch über Steuern möglich. Die Beiträge, das war wieder Konsens, sollen weiter von der Einkommenshöhe abhängen. Die Vorstellung, den Bundestagswahlkampf gegen die Kopfpauschalen-Union mit der Bürgerversicherung zu führen, erklärte Scholz für „nicht uninteressant.“

Alle Beteiligten wollen die Privatversicherungen – anders als früher – nicht mehr abdrängen, sondern sie in einen Wettbewerb mit den gesetzlichen Kassen bringen. Dazu müsste die Versicherungspflichtgrenze abgeschafft werden – das ist die Einkommensgrenze, ab der sich Gutverdiener privat versichern dürfen. Auch das Wort „Kontrahierungszwang“ fiel gestern: Das bedeutet, dass die Privatversicherer sich nicht mehr aussuchen dürften, wen sie versichern, sondern wie die gesetzlichen Kassen jeden nehmen müssten. Die Arbeitgeber sollen weiter irgendwie beteiligt werden – doch ob dies auf eine Deckelung des Arbeitgeberanteils hinausläuft, wie es unlängst schon der Grünen-Gesundheitsexperte Joschka Fischer vorgeschlagen hatte, blieb gestern unklar. Wie so vieles.

Engelen-Kefer überraschte damit, dass sie für den DGB erklärte, es sei egal, bis zu welcher Einkommenshöhe Beiträge bezahlt würden. Früher galt es zumindest in Gewerkschaftskreisen als ausgemacht, dass die Beitragsbemessungsgrenze steigen müsse, dass also nicht nur die niedrigen und mittleren, sondern auch die höheren Einkommen prozentual belastet werden müssten. Engelen-Kefer zur Beitragsbemessungsgrenze: „Wie sich das dann weiterentwickelt, wird die Entwicklung zeigen.“

Einer fehlte gestern bei der Koalition für eine Bürgerversicherung gestern auf dem Podium: der Unions-Gesundheitsexperte Horst Seehofer (CSU). Von ihm war ursprünglich der Anstoß gekommen, sich überparteilich zum Thema zu treffen. „Gerne hätten wir mit ihm diskutiert“, sagte Scholz. Unglücklicherweise habe Seehofer vor wenigen Tagen abgesagt. Dabei hätte er sich vor einer Vereinnahmung jedenfalls nicht fürchten müssen – das, was gestern beschlossen und erklärt wurde, hätte er bestimmt mit unterzeichnet. ULRIKE WINKELMANN