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Archiv-Artikel

Wo auch Anke so gern ihre Erbsensuppe aß

Mit dem „Medienzentrum Ost“ hat Mülheim ein neues Gesicht bekommen. Doch die Zukunft ist ungewiss: Nach dem Aus von „Anke Late Night“ bangen 60 Mitarbeiter um ihren Arbeitsplatz. Und ob die beiden Zugpferde Viva und Brainpool überhaupt am Standort bleiben, wird in New York entschieden

Von Peter Hanemann

In der Werkskantine der vormaligen Felten & Guilleaume Kabelwerke gibt es montags immer Eintopf – wie anno dazumal, als F & G auf dem Kabelmarkt „Weltfirma“ war und mit bis zu 11.000 Beschäftigten das Leben im rechtsrheinischen Kölner Norden prägte. Die Kantine der 1834 von F & G in Köln-Mülheim erbauten Fabrik heißt heute „La Cantina“ und wird von der F & S Catering GbR bewirtschaftet.

Im großen Speisesaal, wo noch immer das schwarze F & G-Emblem prangt, finden an Wochenenden türkische Hochzeiten statt. Wochentags mischen sich beim Mittagessen die letzten Kabelwerker mit den Kreativen von Viva und Brainpool. Auch Talkmasterin Anke Engelke mochte montags Erbsensuppe á la „Cantina“. Doch erst mal muss sie die Suppe auslöffeln, die ihr Sat.1 eingebrockt hat. Heute geht die Brainpool-Produktion „Anke Late Night“ zum letzten Mal über den Sender.

Rund um „La Cantina“ arbeiten Blaumänner, neue Dienstleister und vor allem Film- und Fernsehleute eng an eng. Vor Ort kann man seit Jahren verfolgen, wie die Altindustrie schrumpft und die „Creativ Industries“ wachsen. So stehen im Kabelwerk, das inzwischen dem dänischen Konzern NKT Cables gehört, gerade noch 460 Beschäftigte in Lohn und Brot. Nebenan ging die Belegschaft der Drahtwerke Köln, einer 100-prozentigen Saarstahl-Tochter, die einst auch zu F & G gehörte, von ehedem über 2.000 auf 258 Drahtzieher zurück. Der Neuzugang Viva Media AG hingegen beschäftigt in Mülheim bereits 439 Vollzeit-Kräfte.

Nach einer Schätzung von Bernd Odenthal, dem quirligsten der vor Ort aktiven Investoren, arbeiten auf dem etwa einen Quadratkilometer großen Gelände zwischen Carlswerkstraße, Keupstraße und Schanzenstraße insgesamt 3.200 Menschen, die allermeisten in medienwirtschaftlichen Tätigkeitsfeldern.

Odenthal, der in einem luftigen Loft in der Schanzenstraße 36 residiert, ist Investor, Entwickler und Vermögensverwalter in einer Person. Der ehemalige Keyborder von BAP kaufte 1990 zunächst das Elektrizitätswerk und machte es als E-Werk zusammen mit Partnern zu einer der erfolgreichsten Kölner Veranstaltungshallen. 1994 kam eine gegenüberliegende Fertigungshalle hinzu, aus der mit dem Palladium eine zweite Eventhalle entstand. In zwei weiteren sanierten industriellen Backsteinbauten kamen unter anderem der Software-Entwickler Arxes und der Tonträger-Vertrieb Grooveattack unter. Odenthals Bewerbung der „gründerzeitlichen Atmosphäre der alten Industriedenkmäler“ kommt an: Seine Vermögensverwaltung verzeichnet eine 100-prozentige Auslastung aller Altbauten, die seit Einweihung des E-Werks gekauft, umgebaut und vermarktet worden sind.

Fast gleichzeitig zogen 2002 Brainpool TV vom Friesenplatz und Viva TV aus dem Mediapark in die Schanzenstraße – ein Push für Kölns „Medienzentrum Ost“. Odentahl hatte mit Partnern 2001 aus der F & G-Hinterlassenschaft die ehemalige Kabelfabrik 1 gekauft und sendergerecht hergerichtet. Auf rund 30.000 Quadratmetern inklusive Studios produziert Viva TV an die 10 TV-Formate – von „Fast Forward“ bis zu „Sarah Kuttner – Die Show“. Brainpool TV, seit 2001 Tochter der Viva Media AG, fertigt vor Ort etwa Stefan Raabs „TV total“, „Rent a Pocher“ und bis heute „Anke Late Night“. Hat sich erst mal ein Sender niedergelassen, folgen die entsprechenden Dienstleister. Für die Filmlicht-Firma Cape Cross etwa hatte Odenthals Investorengruppe das Gebäude der ehemaligen F & G-Werksfeuerwehr im Angebot.

So zügig sich das „Medienzentrum Ost“ entwickelt, so abhängig ist die Entwicklung von überlokalen bis globalen Faktoren. Als sich im letzten Dezember Harald Schmidt mit seinem Sender Sat 1 überwarf und die „Harald Schmidt Show“ aufgab, standen 100 Arbeitsplätze auf dem Spiel. Der Schock war so heftig, dass Schmidts Produktionsfirma Bonito bis heute keine Auskunft geben will, was aus ihnen geworden ist. Weil Schmidt-Nachfolgerin Engelke mitnichten die Quoten des Vorgängers erreichte, enden mit der Stilllegung der Late-Show auch die Zeitverträge von etwa 60 MitarbeiterInnen. „Wir werden sie größtenteils in Nachfolge-Produktionen unterbringen“, so eine Brainpool-Sprecherin.

Höchst unklar ist auch die Zukunft von Mutter Viva. Seit der kürzlichen Übernahme durch Viacom wird spekuliert, dass der drittgrößte Medienkonzern der Welt mit Sitz in New York, dem auch MTV gehört, das Musikfernsehen in Berlin konzentriert und allenfalls Brainpool in Köln belässt. Von MTV Networks Europe gibt es lediglich eine vage Absichtserklärung, die Geschäftsbetriebe in Berlin und in Köln zu erhalten. Jedenfalls ließ sich Dieter Gorny als Vorstandsvorsitzender der AG beim Mediengipfel der Kölner CDU zu keiner definitiven Aussage zum Standort Mülheim verleiten – auch nicht von Kölns OB Fritz Schramma. Gorny: „Ich sage nichts.“

Was Wunder, wenn Akteure wie Odenthal und Planer wie Werner Stüttem vom Kölner Amt für Stadtentwicklung an allem interessiert sind, was die Entwicklung vor Ort verstetigt. So sieht Stüttem in dem für 2008 geplanten Einzug von RTL in die alten Hallen der Kölnmesse „einen wichtigen Impuls für das Rechtsrheinische“, der sich bis zum Medienzentrum Ost auswirken könnte. Der Stadtentwickler kann sich „eine behutsame Verknüpfung der künftigen Deutzer Gegebenheiten mit Mühlheim-Nord“ vorstellen.

Interesse an Mülheim hat auch die Filmstiftung Nordrhein-Westfalen, die überlegt, ob sie neben ihrem Sitz in Düsseldorf mit einem Büro in Köln Präsenz zeigt. Filmstiftung-Geschäftsführer Michael Schmid-Ospach: „60 bis 70 Prozent unseres Business laufen in Köln.“

Unterkommen könnten die Filmförderer womöglich in einem „AV-Gründerzentrum NRW“, mit dem die Stadt Köln schwanger geht. Das Zentrum soll Absolventen der Kunsthochschule für Medien und der Internationalen Filmschule eine Startchance zur Unternehmensgründung geben und sie so an den Medienplatz Köln binden. Dafür hält Odenthal ein Gründerzeit-Gebäude an der Carlswerkstraße bereit, in dem sich junge Unternehmen mit etablierten Firmen und eben Einrichtungen wie der Filmstiftung kombinieren könnten. Was noch fehlt, ist die Zusage des Landes NRW, sich an der Finanzierung zu beteiligen. Gegenüber der taz versprach Schmidt-Ospach, sich in Düsseldorf für das Projekt der Kölner stark zu machen.