: Heiliges ständisches Schulsystem
betr.: „Die behinderten Kids werden nun doch integriert“, taz vom 27. 3. 09
So sehr alle Betroffenen das Urteil des Verwaltungsgerichts (VG) Freiburg freut, mit dem das baden-württembergische Kultusministerium verpflichtet wird, der Emmendinger Waldorfschule die Einrichtung der integrativen Klassen (wieder) zu genehmigen, so ist es doch nur ein kleiner Schritt auf dem Weg zur Umsetzung der Forderung nach Inklusion aller Menschen mit Behinderung in die Gesellschaft und damit aller Kinder in die öffentlichen Regelschulen. Für die Eltern, die ihre Kinder wieder „legal“ nach Emmendingen schicken können, ist dieser Etappensieg eine riesige Erleichterung. Aber darüber darf nicht außer Acht gelassen werden, dass viele dieser Eltern ihre Kinder lieber in die staatliche Quartierschule geschickt hätten, wo Geschwister und Nachbarkinder sind und der Schulweg leichter zu bewältigen wäre.
Auch wenn an dem zufällig symbolischen Tag des Inkrafttretens der UN-Konvention diese nicht zur Urteilsbegründung herangezogen wurde, da sie (leider) nicht einklagbares Recht darstellt, so hat sich das VG Freiburg nicht nur auf das baden-württembergische Schulgesetz, sondern ausdrücklich auf Artikel 7 Absatz 4 des Grundgesetzes berufen, das private Schulen zulässt, sofern sie die geltenden Bildungsabschlüsse garantieren und als „Ersatz“ für vorhandene oder vorgesehene öffentliche Schulen dienen. Damit nimmt das Gericht freundlicherweise an, dass solche integrativen Schulen in Baden-Württemberg existierten oder vorgesehen seien. Da die Vertreter der Schulverwaltung während des Prozesses damit argumentierten, es gebe mit den Außenklassen und den kooperierenden Schulen bereits integrative Konzepte, dürfte es ihnen in der nächsten Instanz schwerfallen, der Emmendinger Waldorfschule ihren Ersatzcharakter abzusprechen. Erst recht wird das Kultusministerium nicht bestreiten wollen, dass das Land die Integration der Menschen mit Behinderung fördern will.
Dennoch, das VG Freiburg geht davon aus, dass das Kultusministerium Berufung beim Verwaltungsgerichtshof (VGH) Baden-Württemberg in Mannheim einlegen wird. Wegen der grundsätzlichen Bedeutung, sagte der Richter. Und aus gekränkter Eitelkeit, könnte man hinzufügen, und in dem verbohrten Bemühen, auch nicht einen Spaltbreit die Tür öffnen zu lassen, die von dem in der baden-württembergischen CDU für nahezu heilig gehaltenen ständischen („gegliederten“) Schulsystem wegführen könnte.
IRIS VORBERG, Merzhausen