piwik no script img

Archiv-Artikel

Finanzminister Eichel wendet sich

Wachstum soll die Staatshaushalte sanieren – Sparpolitik ist jetzt nicht mehr Voraussetzung für den Aufschwung. Eichel definiert damit seine Ziele neu

BERLIN taz ■ Bundesfinanzminister Hans Eichel (SPD) ändert seine Prioritäten. Das Wirtschaftswachstum wird wieder wichtigstes Ziel der Finanzpolitik. Erst in zweiter Linie will Eichel den Staatshaushalt sanieren. Dies ist die zentrale Botschaft der programmatischen Rede, die Eichel gestern an der Humboldt-Universität in Berlin hielt.

Bisher galt die umgekehrte Prioritätensetzung. Als oberstes Ziel seines Wirkens bezeichnete der Finanzminister die Konsolidierung der Staatsfinanzen und die Einhaltung des Stabilitätspaktes von Maastricht. Dies seien die Voraussetzungen dafür, dass Deutschland wieder mehr Wachstum erreiche. In Zukunft sind Ursache und Wirkung vertauscht: Wachstum schaffe Konsolidierung, heißt es nun.

Damit passt Eichel die politische Rhetorik den Gegebenheiten an. Weil das Wirtschaftswachstum lahmt, führt die Sparpolitik nicht zum Erfolg. Ökonomen raten deshalb, dass der Staat Geld ausgeben solle, um die Konjunktur anzufachen. Eichel legt aber Wert darauf, dass er das Ziel eines ausgeglichenen Staatshaushaltes ohne neue Schulden nicht aufgibt.

In seiner Rede deutete der Finanzminister außerdem an, dass so bald wie möglich eine faire Besteuerung von Kapitaleinkommen eingeführt werden solle. Das Konzept der niedrigen Abgeltungssteuer von 25 Prozent hat dabei offenbar nicht mehr den höchsten Stellenwert. Der Steuersatz könnte deutlich höher liegen. Zudem sollen die steuerlichen Unterschiede zwischen Konzernen und Personengesellschaften gemildert werden, die letztere teilweise benachteiligen. Dies könnte geschehen, indem Eigentümerbetrieben ein Wahlrecht zwischen unterschiedlichen Formen der Besteuerung eingeräumt wird.

HANNES KOCH