piwik no script img

Archiv-Artikel

Rechte Marschsaison in Brandenburg

Neonazis wollen am Samstag in Belzig gegen Migranten demonstrieren. In Halbe verbietet die Polizei rechte Aufmärsche zum Volkstrauertag. In Potsdam sind hingegen Wehrmachtsdeserteure nicht zur Trauer geladen

Unmittelbar vor dem 65. Jahrestag der nationalsozialistischen Pogromnacht demonstrieren am Samstag Neonazis in der brandenburgischen Kleinstadt Belzig mit antisemitischen Parolen gegen Migranten und Flüchtlinge. Bei dem Drahtzieher des Aufmarsches handelt es sich nach Informationen der taz um den vorbestraften Neonazi Pascal S.

Der heute 25-Jährige hatte mit einem Dutzend Gesinnungsgenossen im September 1997 eine Punkband in Pritzwalk brutal überfallen. Ein Bandmitglied wurde lebensgefährlich verletzt. Pascal S. verbüßte deshalb bis vor kurzem eine mehrjährige Freiheitsstrafe. Vor seiner Haftentlassung hatte Pascal S. in Neonazipostillen angekündigt, sich weiter „am Kampf“ zu beteiligen. Im Sommer drohte dann eine „Nationale Aktionsgemeinschaft/Freies Deutschland“ auf der alternativen Website „inforiot“, man werde „Belzig wieder zu einer national befreiten Zone für Volksgenossen machen“. Am 6. Oktober warfen Unbekannte einen Brandsatz in das Alternative Infocafé „Der Winkel“ in Belzig, wo sich Flüchtlinge, linke Jugendliche und Migranten treffen.

Belzigs Bürgermeister Peter Kiep (SPD) sagte der taz, das „Belziger Forum gegen Rechtsradikalismus und Gewalt“ werde nicht gegen die Neonazis auf die Straße gehen.

Derweil versucht das Polizeipräsidium Frankfurt (Oder) einen der größten Neonaziaufmärsche dieses Jahres in Halbe zu verhindern. Die Sicherheitsbehörden haben für den 15. November und den darauf folgenden Volkstrauertag zwei Aufmärsche von Neonazis auf dem Kriegsgräberfriedhof in Halbe verboten. Im vergangenen Jahr hatte das Bundesverfassungsgericht das Verbot des rechten Gedenkmarsches am Volkstrauertag mit Verweis auf das Brandenburger Feiertagsgesetz bestätigt. Komplizierter ist die Rechtslage für den 15. November. Hier beruft sich das Polizeipräsidium auf das Gräberschutzgesetz. Das Persönlichkeitsrecht der Toten auf dem Kriegsgräberfriedhof in Halbe sei besonders schutzwürdig und würde durch eine politische Demonstration verletzt.

Die Neonazis, die schon Anfang der 90er-Jahre über den Friedhof zogen, wollen allerdings nicht erneut klein beigeben. Sie erhoffen sich für den 15. November einen Sieg vor Gericht und durch offene Verherrlichung der SS mehrere tausend Teilnehmer an diesem Tag.

Gegendemonstranten, die unter dem Motto „Den Kessel zum Kochen bringen“ mobilisieren, haben es in Halbe nicht leicht. Das Amt Schenkenländchen untersagte eine Gedenkveranstaltung für 57 in Halbe bestattete ermorderte Zwangsarbeiter und Deserteure mit der Begründung, auch hiermit würde die Ruhe der Toten gestört. Ludwig Baumann, Vorsitzender der „Bundesvereinigung Opfer der NS-Militärjustiz“ und Hauptredner bei der geplanten Kundgebung, hofft, dass es bei dem Verbot nicht bleiben wird. Derzeit wird über einen Ausweichort verhandelt.

Auch beim offiziellen „Volkstrauern“ in Potsdam ist der ehemalige Wehrmachtsdeserteur Baumann als Redner nicht erwünscht. Potsdams Oberbürgermeister Jan Jakobs (SPD) lehnte einen Vorschlag der Frakion „Die Anderen“ ab, den 80-Jährigen bei der städtischen Gedenkfeier sprechen zu lassen.

HEIKE KLEFFNER