piwik no script img

Archiv-Artikel

Ausfälle bedrohen Steuerreform

Arbeitskreis Steuerschätzung rechnet mit über 19 Milliarden Euro weniger Steuereinnahmen. Das stützt die Gegner der vorgezogenen Steuerreform, über die heute im Bundesrat abgestimmt wird. Stabilitätspakt wird erneut gebrochen

von ANDREAS SPANNBAUER

Optimistisch war man im Finanzministerium wirklich nicht gewesen: Mit Steuerausfällen von mehr als 17 Milliarden Euro hatten die Experten von Finanzminister Hans Eichel (SPD) schon Mitte der Woche gerechnet. Gestern nun wurden die ohnehin schon düsteren Prognosen noch einmal von der Wirklichkeit übertroffen: „Die Mindereinnahmen für die Jahre 2003 und 2004 summieren sich auf rund 19,1 Miliarden Euro“, teilte der Arbeitskreis Steuerschätzung gestern in Berlin mit.

Schon zum sechsten Mal in Folge verzeichnet Finanzminister Eichel ein Wegbrechen der Staatseinnahmen. Damit muss der Bund in diesem Jahr auf rund 4,2 und 2004 auf 4,8 Milliarden Euro verzichten. Auch die Länder müssen mit weniger Geld auskommen. Dieses Jahr fehlen ihnen insgesamt 3,8 Milliarden. Im kommenden Jahr erhöht sich das Haushaltsloch sogar auf 4,5 Milliarden. Den Gemeinden drohen in diesem Jahr keine weiteren Steuerausfälle; 2004 aber können sie den Schätzungen zufolge mit rund 400 Millionen Euro weniger kalkulieren. Insgesamt rechnen die Steuerexperten mit Einnahmen von 441,6 Milliarden Euro in diesem und 453,4 Milliarden Euro im nächsten Jahr.

Experten gehen angesichts der neuen Zahlen davon aus, dass die Verschuldung der öffentlichen Haushalte in Deutschland auch im kommenden Jahr deutlich 3,5 Prozent des Bruttoinlandsprodukts übersteigen wird. „Es wird klar, warum sich Eichel bemüht, dem europäischen Stabilitäts- und Wachstumspakt die Zähne zu ziehen“, sagte Martin Kachelrieß von der Hypo-Vereinsbank. Nach Angaben des Vorsitzenden der CSU-Landesgruppe im Bundestag, Michael Glos, sind die Staatseinnahmen seit 1999 um über 50 Milliarden Euro zurückgegangen.

Die Prognose des Arbeitskreises Steuerschätzung ist eine wichtige Grundlage für die Planung des Bundeshaushalts 2004. Dem Kreis gehören Vertreter des Finanzministeriums, der Länder und Kommunen sowie der führenden sechs Wirtschaftsforschungsinstitute, des Sachverständigenrates und der Bundesbank an. Sie bereiten jeweils eigene Schätzungen vor, um die dann im Arbeitskreis so lange gestritten wird, bis sich die Experten auf einen Kompromiss einigen können. Seine Berechnungen legt das Gremium jeweils im Frühjahr und im Herbst vor. Für das laufende Jahr haben die Ausfälle keine Konsequenzen. In seinen Nachtragshaushalt 2003, den er vor zwei Wochen vorgelegt hat, hatte Eichel die Steuerausfälle schon eingerechnet. Für das Jahr 2004 wächst aber der Zwang zum Sparen noch einmal. Das Ergebnis der Steuerschätzung ist also Wasser auf die Mühlen derjenigen, die vor dem geplanten Vorziehen der Steuerreform warnen. Insbesondere der hessische Ministerpräsident Roland Koch gilt als Gegner der vorgezogenen Steuerreform, über die heute der Bundesrat entscheiden muss.