: Nur einer liebt Putin
Russland macht alles richtig. In Tschetschenien und bei Yukos, meint Italiens Premier Berlusconi
von DANIELA WEINGÄRTNER
Mit gemischten Gefühlen wird Russlands Präsident Wladimir Putin zum Gipfel nach Rom gereist sein. Auf der Tagesordnung standen heikle Fragen wie Tschetschenien, Russlands WTO-Beitritt, die technische Unterstützung für den Bau des iranischen Atommeilers Buschehr, das bislang von Russland nicht unterzeichnete Kioto-Protokoll und Putins Forderung nach Aufhebung der Visumpflicht bei Reisen in die nach Osten erweiterte Europäische Union.
Ratspräsident Silvio Berlusconi sorgte aber dafür, dass der Gast aus Moskau sich wie zu Hause fühlen durfte. Auf die obligatorische Frage nach der Besatzungspolitik in Tschetschenien ließ er nicht Putin antworten, sondern übernahm das gleich selbst: „Ich habe am eigenen Leib erfahren, wie die internationale Presse die Tatsachen verdreht. In Italien erscheinen täglich 4 Millionen Exemplare regierungskritischer Zeitungen. Die ausländischen Journalisten behaupten aber, hier gäbe es keine Pressefreiheit. In Tschetschenien sind die Opfer oft Russen. Terroristen sind eingesickert.“
Gleich zur Begrüßung am Mittwochabend hatte Berlusconi seinen Gast in Schutz genommen. Die Moskauer Justiz habe in der Affäre um den Ölkonzern Yukos völlig unabhängig gehandelt, sagte der italienische Staatspräsident nach einem Treffen unter vier Augen. Aus dem Mund eines Politikers, der die unabhängige Justiz im eigenen Land am liebsten abschaffen würde, ein zweifelhaftes Kompliment.
Der außenpolitische Repräsentant der Union, Javier Solana, hatte dann die undankbare Aufgabe, Berlusconis Persilschein zurückzunehmen, ohne die Kluft zwischen den derzeitigen außenpolitischen Spitzenvertretern der Union zu deutlich werden zu lassen. Er forderte Putin auf, „Zweifel“ rund um die Yukos-Affäre auszuräumen. Hier zeigte sich gleich zu Beginn des Gipfels erneut ein Grundübel der EU-Außenpolitik: Wie kann die Europäische Union im internationalen Spannungsfeld ihre Positionen durchsetzen, wenn sie nicht mit einer Stimme spricht? Berlusconi griff diesen Gedanken in der Pressekonferenz am Ende des Treffens auf, als er einen europäischen Außenminister als eines der wichtigsten Ergebnisse des Reformprozesses in der EU bezeichnete.
Präsident Putin reagierte wortkarg. Er sagte lediglich, der Gipfel sei ein weiterer Schritt auf dem Weg zu enger Zusammenarbeit. Konkretes hatte Kommissionspräsident Romano Prodi zu verkünden: „Wir haben alle Voraussetzungen geschaffen, dass Russland Ende nächsten Jahres der WTO beitreten kann.“ Er fügte hinzu: „ Putin hat uns versichert, dass in der Yukos-Affäre das Recht nicht in diskriminierender Weise angewandt wird. Das ist unsere Voraussetzung für weitere wirtschaftliche Zusam-menarbeit mit Russland.“
Tatsächlich funktionierte das Treffen hauptsächlich als Tauschbörse. Beide Seiten hatten ihre Wunschlisten schon im Vorfeld auf den Tisch gelegt. Russland möchte visafreien Reiseverkehr für seine Bürger Richtung Westen, die EU möchte grenzüberschreitende Kriminalität, die aus Osteuropa einsickert, wirkungsvoller bekämpfen. Russlands Außenminister Igor Iwanow und Europol-Direktor Jürgen Storbeck unterzeichneten gestern am Rande des Treffens ein Abkommen, das den Informationsaustausch verbessern soll. Ein Europol-Sprecher erklärte, dabei gehe es vor allem um den Kampf gegen Drogen, illegale Zuwanderung, Menschenhandel sowie Geldwäsche und Terrorismus. Weitere Abkommen sollen folgen.
In der gemeinsamen Schlusserklärung des Gipfels heißt es, die EU und Russland wollten „langfristig“ die gegenseitige Visumpflicht abschaffen. Rasch sollten die Möglichkeiten für eine Vereinfachung der Visumbestimmungen geprüft werden. Die Innenminister von Österreich, Ungarn und Tschechien warnten prompt vor einem solchen Schritt. Damit ist Russland von der Erfüllung seiner Wünsche noch weit entfernt. Kein Wunder, dass Putin gestern kurz angebunden war.