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Archiv-Artikel

Die Sportfreunde siegen wieder

Nach zwei sportlichen Abstiegen ohne Konsequenz lässt der Dortmunder Ralf Loose den Regionalligisten Sportfreunde Siegen mit bescheidenen Mitteln von der Zweiten Bundesliga träumen. Die Euphorie weckt Erinnerungen

SIEGEN taz ■ Manfred Utsch greift für seinen Lebenstraum gerne tief in die Tasche. Seit 1985 versucht der Unternehmer, der sein Geld mit der Herstellung von KFZ-Schildern verdient, die Fußballer der Sportfreunde Siegen groß rauszubringen. Lange Jahre als Präsident und Hauptsponsor. 2001 zog sich der heute 68-Jährige aus gesundheitlichen Gründen ein wenig zurück. Für die Auszahlung der Siegprämien fühlt sich Utsch aber weiterhin verantwortlich. „Wenn die Mannschaft verliert, spare ich eine Menge. Das will ich aber gar nicht“, sagt der Ehrenpräsident, der in dieser Saison recht häufig die Geldbörse zücken darf: Nach elf Spieltagen führen die Sportfreunde die Tabelle der Regionalliga Süd an.

Für die Siegerländer ist das zwar keine neue, aber eine sehr überraschende Entwicklung. Wenn alles normal gelaufen wäre, würde der Verein längst in der Oberliga spielen. Am Ende der letzten beiden Spielzeiten war Siegen jeweils sportlich abgestiegen, blieb aber Regionalligist, weil Reutlingen, Waldhof Mannheim (2003) und Schweinfurt (2004) keine Lizenz erhielten. „Wir haben nur Geld ausgegeben, das wir hatten und wurden für unsere Ehrlichkeit belohnt“, sagt Manager Rolf Bleck, „wir wissen dieses Glück zu schätzen.“

Weil abgesehen von Utsch potenzielle Siegener Sponsoren ihr Geld lieber in „Kirche und Kultur“ (Bleck) investieren, haben die Sportfreunde auch in dieser Saison nur einen Mini-Etat von 1,6 Millionen Euro zur Verfügung und hatten sich deshalb auf den nächsten Abstiegskampf eingerichtet. Dass es wider Erwartung viel besser laufe, hat laut Bleck viele kleine Gründe. Vor allem aber hält der Manager den neuen Trainer Ralf Loose „für einen echten Glücksgriff. Er hat den Schalter umgelegt.“

Loose weiß, was es heißt, einen Außenseiter auf Vordermann zu bringen. Fünf Jahre arbeitete der Ex-Profi, der in den 80er 211 Bundesligaspiele für Borussia Dortmund und Fortuna Düsseldorf absolvierte, als Nationalcoach von Liechtenstein. Im 30.000 Einwohner fassenden Fürstentum konnte er professionelle Strukturen legen, statt der üblichen zweistelligen Niederlagen wurden die Ergebnisse weitaus freundlicher gestaltet. „Ich hatte ja nie den Druck, Spiele gewinnen zu müssen“, erinnert sich Loose an ein „ideales Experimentierfeld“. Enttäuscht sei der 41-Jährige trotzdem gewesen, dass er nach seiner Beurlaubung im vorletzten Juli kein Angebot aus dem deutschen Profifußball erhalten habe.

Erst die Siegener trauten sich, Loose zu verpflichten. „Natürlich würde ich mir professionellere Bedingungen wünschen“, sagt Loose, dessen Assistent Gerhard Noll bei Auswärtsspielen auch den Mannschaftsbus lenken muss und das Oberliga-Team betreut, während Torwart-Trainer Klaus-Dieter Woll hauptberuflich für die Bundespost Briefe austrägt. „Wir haben kein Scoutingnetz, ich bin quasi auf mich allein gestellt“, meint Loose, der auch den anstehenden Winter fürchtet: „Dann sind hier die meisten Plätze vereist.“

Deshalb will er den aktuellen Höhenflug auch nicht überbewerten. „Natürlich träumen alle von der Zweiten Liga, wir spinnen aber jetzt nicht herum“, meint der Trainer, der sein Team noch nicht reif für eine konstant gute Saison hält: „Wir haben 13 starke Spieler, Ausfälle könnten wir kaum kompensieren.“

Die Euphorie im Siegerland ist da. 8.000 Zuschauer besuchten zuletzt die Heimspiele und erfreuen sich am gut strukturierten Offensivfußball. Auch die Scouts umliegender Profivereine sind dabei und beobachten vor allem Patrick Helmes. Der Sohn des ehemaligen Duisburger Bundesliga-Profis Uwe Helmes spielte vor vier Monaten noch in der Oberliga, hat jetzt aber schon acht Tore erzielt und ist auf dem Sprung in die U 21-Nationalmannschaft.

Wenn heute Regensburg ins Leimbach-Stadion kommt, wird mit einer Saison-Rekordkulisse gerechnet. „Der Regensburger Trainer Mario Basler zieht alleine 2.000 Fans“, glaubt Bleck. Nachdem man 1998 in der Relegation den Zweitliga-Aufstieg verpasste und ein Jahr später das DFB-Pokal-Viertelfinale erreichte, wolle man weiter träumen. „Unser großes Ziel ist greifbar“, sagt Utsch, dem die Konsequenzen bewusst sind: „Für mich wird das teuer, aber das ist es mir auch wert.“ ROLAND LEROI