: Panik in der Bronx
Boston schafft eine der größten Baseball-Sensationen, schockt die Yankees und steht in der World Series
BERLIN taz ■ Es war ungemein passend, dass die Fernsehstation der Major League Baseball im zweiten Inning des entscheidenden siebten Spiels zwischen den New York Yankees und den Boston Red Sox als Pausenmusik einen Song der Band Widespread Panic wählte. Es gab die Stimmung auf den voll besetzten Rängen des Yankee Stadium perfekt wieder. Die Panik war berechtigt: Kurze Zeit später nämlich jagte Bostons Johnny Damon, der von seinem Äußeren her jederzeit bei Widespread Panic den Bassisten geben könnte, den ersten Wurf des Reservepitchers Javier Vazquez ins Publikum. Dumm für die Yankees: Manager Joe Torre hatte Vazquez ausgerechnet in der schwierigsten Situation für einen Pitcher als Ersatz des schwächelnden Kevin Brown aufs Feld geschickt. Alle drei Bases waren besetzt, Damons Homerun war also ein Grand Slam. Vier Punkte auf einen Schlag, Boston lag schon mit 6:0 in Führung.
Nur ein sensationelles Comeback der Yankees hätte noch das sensationellste Baseball-Comeback aller Zeiten verhindern können. Niemals zuvor hatte ein Team eine Play-off-Serie gewonnen, in der es schon 0:3 zurücklag. Die Red Sox schafften nicht nur dieses Kunststück – am Ende stand ein 10:3-Sieg –, sie schafften es sogar bei ihren Erzfeinden in der Bronx. So was war ihnen vor hundert Jahren zum letzten Mal vergönnt gewesen gegen jenes Team, das ihnen danach immer wieder den Weg zum Titel verbaut hatte und das ihnen vor 86 Jahren den „Fluch des Bambino“ verpasste, als die Sox in einem Anfall von Hirnverbranntheit den großen Babe Ruth an die Yankees abgaben, als er noch nicht ganz so groß war. 26 Mal haben seither die Yankees die World Series gewonnen, kein einziges Mal die Boston Red Sox. Erstmals seit 1986 dürfen sich diese nun wieder im Finale versuchen und gegen Houston oder St. Louis ausprobieren, ob der Fluch auch wirkt, wenn man die Yankees bezwungen hat.
Während die Red Sox ausgelassen im Yankee Stadium herumtanzten, schlichen die Gastgeber fassungslos vom Platz. Schließlich hatten sie in dieser Serie nicht nur mit 3:0 geführt, sondern auch im vierten Match einen Vorsprung im neunten und letzten Inning gehabt. Der unverhoffte Einbruch des sonst so sicheren Closing Pitchers Mariano Rivera brachte die Wende. Die wiedergeborenen Bostoner gewannen nach Verlängerung im 12. Inning, die nächste Partie sogar erst im 14. Inning, für die beiden Siege in New York reichte dann die reguläre Spielzeit.
Besonders blass nach dem Scheitern des teuersten Sportteams, das es jemals gegeben hat, war Brian Cashman, der General Manager der Yankees. Sein Job ist akut gefährdet, genauso wie der von Manager Joe Torre, etliche Spieler werden ebenfalls gehen müssen. Der 74-jährige Yankees-Boss George Steinbrenner, der diese Saison 184 Millionen Dollar in die Gehälter seiner Baseballstars investiert hatte, ist nicht bekannt dafür, dass er Niederlagen leicht nimmt.
MATTI LIESKE