Toleranz statt Ab- und Ausgrenzung

betr.: „Alle Religionen gleich behandeln“, taz vom 15. 10. 04

Allen GesetzentwerferInnen, DikussionsführerInnen, GegnerInnen, BefürworterInnen etc. sei dringend ein Aufenthalt an der Amerikanischen Universität Beirut, Libanon empfohlen. Seit zwei Jahren bin ich als Dozentin an dieser Institution tätig und die Diskussion in Deutschland scheint aus dieser Entfernung sehr absurd, wenn nicht gefährlich.

Hier, an der Beiruter Universität, werden keine religiösen Unterschiede gemacht. Jeder kann sich durch „Symbole“ zu seiner Religion bekennen, ob mit oder ohne Kopftuch, ob bauchfrei oder bedeckt. Ramadan und Weihnachten, Ostern und des Propheten Geburtstag sind beiderseitig respektierte Feiertage. Die Universität wird zu gleichen Teilen von weiblichen und männlichen StudentInnen besucht, Abschluss macht jede, ob mit oder ohne Kopftuch, unterrichten darf jede, ob mit oder ohne Kopftuch. Ausschlaggebend ist die entsprechende Qualifikation, wie es sich für eine Hochschule gehört. Einzig religiöse Kundgebungen, egal welcher Art, sind nicht gestattet. Dafür brennen alljährlich Lichterkerzen am Weihnachtsbaum vor dem Hauptgebäude der Uni, während weithin hörbar der Muezzin das Gebet verkündet. Und das alles in einem Land, in dem ein 17-jähriger Bürgerkrieg zwischen den unterschiedlichen Glaubensrichtungen gewütet hat und die Konflikte sicherlich nicht aus dem Alltag verbannt sind. Sollte eine Bildungseinrichtung da nicht, wie es die Amerikanische Universität von Beirut tut, Toleranz praktizieren, anstatt Ab- und Ausgrenzung? JULIE WELTZIEN, Beirut, Libanon