: Nutzlos schutzlos
Soziale Erhaltungsverordnung soll abgeschafft werden, empfehlen Gutachter, weil schlecht Verdienende ohnehin vertrieben werden
von GERNOT KNÖDLER
Eimsbüttel-Nord, Hoheluft-West und Barmbek-Süd/Uhlenhorst droht die endgültige Schicki-Mickisierung. Die Mietervereine und die Oppositionsparteien der Bürgerschaft befürchten, dass bald die letzten Dämme gegen eine Übernahme dieser Viertel durch Besserverdienende brechen könnten. Denn der Senat beabsichtigt, die Soziale Erhaltungsverordnung und in deren Gefolge die Umwandlungsverordnung für diese Stadtteile zu Beginn des kommenden Jahres abzuschaffen. Lediglich in der Südlichen Neustadt sollen die Verordnungen auch in Zukunft gelten. Der Senat stützt sich auf ein Gutachten des Instituts Analyse&Konzepte (A&K), aus dem sehr unterschiedliche Schlüsse gezogen werden können.
Die Soziale Erhaltungsverordnung sollte eine Verdrängung der angestammten Bewohner durch sehr aufwändige Modernisierungen und damit einher gehende Mietsteigerungen verhindern. 1998 wurde sie kombiniert mit einer Verordnung, nach der die Umwandlung einer Miet- in eine Eigentumswohnung vom Bezirksamt genehmigt werden muss (siehe Kasten).
In seinem Gutachten kommt Analyse&Konzepte zu dem Ergebnis, die Soziale Erhaltungsverordnung habe eine Erhöhung des Mietniveaus und den Zuzug gut verdienender Mieter nicht verhindert. Sie lasse sich daher nicht weiter rechtfertigen: „Es zeigt sich bei allen drei Gebieten, dass die Lage, Image und sonstigen Qualitäten so gut sind, dass auch dann sehr hohe Mieten gezahlt werden, wenn das Ausstattungsniveau bzw. der Modernisierungsstandard nicht überdurchschnittlich sind“, heißt es in der Studie.
Die Umwandlungsverordnung habe zwar gewirkt. Jedoch sei nicht einzusehen, warum die überdurchschnittlich verdienende Bevölkerung in Eimsbüttel und Barmbek vor dem Verkauf ihrer Mietwohnungen geschützt werden sollte. Lediglich in der Südlichen Neustadt bestehe die Gefahr, dass einige der Bewohner durch Umwandlungen verdrängt würden. Weil eine Soziale Erhaltungsverordnung die Voraussetzung für eine Umwandlungsverordnung ist, empfiehlt das Institut im Falle der Südlichen Neustadt, beide zu erhalten.
Was wäre ohne die Erhaltungsverordnung geschehen? „Die dort beschriebenen Prozesse wären schneller verlaufen“, vermutet der Stadtplaner Andreas Pfadt. Er stützt sich dabei auf seine Erfahrung aus der Stadtentwicklung in anderen Vierteln. Dass Modernisierungen beantragt und genehmigt werden müssten, habe einen „psychologischen Effekt“.
Ganz anders A&K: „Es kann zwar nicht ausgeschlossen werden, dass ohne eine solche Verordnung stärker modernisiert worden wäre und die Mieten noch stärker angestiegen wären, diese Hypothese hat aber vor dem Hintergrund der vorzufindenden Entwicklung kein ausreichendes Gewicht.“ Sprich: Weil Lage und Image eines Viertels das Mietniveau und den Verdrängungseffekt stärker beeinflussen als das Modernisierungsniveau, kann eine Modernisierungsbremse keine große Wirkung haben.
Analyse&Kritik stützt seine Aussagen zur Veränderung der Sozialstruktur auf eine Befragung von 2100 Haushalten. Demnach seien in alle drei Gebiete viele junge Haushalte gezogen: 35,2 Prozent der Bewohner der südlichen Neustadt wohnten dort weniger als zwei Jahre, 26,5 Prozent in Barmbek, 21 Prozent in Eimsbüttel. Durch die Zuzügler, insbesondere Doppelverdiener ohne Kinder, habe sich die Bewohnerstruktur „stark in Richtung Statuserhöhung verändert“.
Der Verein Mieter helfen Mietern sieht das anders: Laut Gutachten lebten fast die Hälfte der Menschen länger als zehn Jahre in ihrem Viertel, sagt MHM-Beraterin Karin Aßmus. Noch immer gebe es überdurchschnittlich viele Kinder in den drei Vierteln: „Die Untersuchung zeigt, dass es nach wie vor eine schützenswerte Wohnbevölkerung gibt.“
Die Wirkung der Erhaltungssatzung beurteilen die Mieterschützer positiv. Wie A&K einräume, seien Luxusmodernisierungen – und nur auf diese zielt die Verordnung – verhindert worden, sagt Aßmus. Der Entwicklungsdruck auf die Quartiere konnte gedämpft werden.
GAL und SPD befürchten, dass sich die Lage der Mieter nach dem Auslaufen der Verordnung verschlechtern wird. „Die Entwicklung der Quartiere wird dem freien Spiel des Marktes überlassen, eine vorausschauende politische Planung findet nicht mehr statt“, kommentierte die GAL-Bürgerschaftsabgeordnete Antje Möller.
Eimsbüttels GAL-Fraktionschef Till Steffen warnte vor steigenden Mieten und einem Wiederaufflammen von „Spekulationstätigkeiten, die längst der Vergangenheit angehören“. Steffen: „Man kann nicht, nur weil es besser verdienende Haushalte gibt, sozial schwache Menschen aus dem Stadtteil vertreiben.“