: UN-Mission im Kongo in der Defensive
Milizen von Hema und Lendu fordern Blauhelme in der Stadt Bunia heraus. Kämpfe auch im nahen Ölgebiet
BERLIN taz ■ Ein neuer Krieg zwischen den Milizen der Hema und Lendu droht um die Stadt Bunia im Nordosten der Demokratischen Republik Kongo, eigentlich Vorzeigemodell der UNO für die Befriedung des Kongo. Die offiziell entmilitarisierte Stadt gelangt zunehmend unter Kontrolle der größten Hema-dominierten Miliz UPC (Union kongolesischer Patrioten). Südlich von Bunia sammeln sich zugleich Lendu-Kämpfer von der Miliz FNI (Nationale Integrationskräfte).
UPC-Kämpfer „in Bataillonsstärke“, so der Bericht einer Hilfsorganisation, bezogen in der Nacht zum Donnerstag Position in verschiedenen Teilen von Bunia. Blauhelme der UN-Mission im Kongo (Monuc) hinderten sie daran, das Stadtzentrum unter ihre Kontrolle zu bringen. Drei Stunden lang wurde gekämpft, wobei die UNO sowohl aus Hema- wie auch aus Lendu-Stadtvierteln heraus beschossen wurde. „Seit drei Uhr kontrolliert Monuc wieder die Lage“, sagte Seraphim Kazadi vom humanitären UN-Büro in Bunia. „Aber wenn so was wieder passiert, müssen wir evakuieren.“
Eigentlich sind Waffen in Bunia verboten, seit Anfang Juni eine französische Eingreiftruppe in die Stadt einrückte, wo in den Wochen Kämpfe zwischen UPC und Lendu-Gruppen sowie ethnische Massaker beider Seiten mehrere hundert Tote gefordert hatten. Ende August und Anfang September zogen die Franzosen wieder ab und übergaben Bunia der UNO. Da UN-Soldaten erst im Mai Massakern tatenlos zugesehen hatten, fürchteten Stadtbewohner damals, dass der Krieg sofort neu aufflammt. Das Szenario: Die UPC, die Bunia kurz vor der Ankunft der Franzosen von Lendu-Kämpfern zurückerobert hatte und sich der fremden Eingreiftruppe nur widerwillig beugte, übernimmt die Stadt wieder, und von Süden her marschieren dann Lendu-Milizen ein. Damals blieb diese Entwicklung aus. Aber jetzt scheint es so weit zu sein.
Grund dafür ist, dass die UN-Truppen anders als vorher die Franzosen nicht nur Bunia kontrollieren wollen, sondern den gesamten Distrikt Ituri, wo in den vergangenen vier Jahren ethnische Vertreibungskriege zwischen Hema und Lendu über 60.000 Tote produziert haben und die Massaker auch während der französischen Intervention weitergingen. Seit Mitte Oktober richtet Monuc immer mehr Stützpunkte in Kleinstädten Ituris ein, wodurch immer mehr der rund 4.800 UN-Soldaten im Distrikt aus Bunia abziehen.
Dadurch werden in Bunia die einst scharfen Kontrollen nachlässiger. „Weil Monuc ihre Präsenz in den Stadtvierteln von Bunia bedeutend reduzierte – keine nächtlichen Patrouillen mehr, Monuc-Anwesenheit nur an für die Sicherheit der Monuc wichtigen Orten –, fühlten sich bewaffnete Elemente sicher“, heißt es im Lagebericht einer Hilfsorganisation.
Die Scharmützel in Bunia folgen auf eskalierende Kämpfe im mutmaßlichen Ölgebiet Ituris an der ugandischen Grenze südöstlich von Bunia. Ende Oktober versuchte die UPC erfolglos, der von Uganda unterstützten Hema-Splitterbewegung PUSIC (Partei für die Einheit und die Rettung der Integrität des Kongo) die zwei Städte Tchomia und Kasenyi am Ufer des Albert-Sees abzunehmen. Es kam zu Kämpfen mit zahlreichen Toten.
Im Albert-See sowie auf der ugandischen Seite der Grenze südlich davon sucht die kanadische Ölfirma „Heritage“ und neuerdings auch die australische „Hardman“ nach Öl, und Heritage will das auch auf der kongolesischen Seite der Grenze tun. Dafür ist es wichtig, dass die pro-ugandische PUSIC das Grenzgebiet kontrolliert. Die UN-Blauhelme in Ituri haben das Ölgebiet sowie die Goldminen nordwestlich von Bunia zu prioritären Standorten gemacht, „damit ausländische Investoren zurückkommen“, wie UN-Missionsleiter William Swing kürzlich erklärte. Die Sicherheit Bunias und seiner 100.000 Einwohner scheint unter diesem Ziel zu leiden.
DOMINIC JOHNSON