: „Wir sind keine Wein-Emanzen“
Um als Frau im Weingeschäft gleichwertig behandelt zu werden, muss man besser sein als die Männer. Und gut organisiert
INTERVIEW FRIEDERIKE GRÄFF
Roy Blankenhorn ist schwer zu erreichen, entweder sind Gäste auf dem Weingut oder sie ist irgendwo unterwegs. „Ich werde mich auf dem Stuhl festbinden“, verspricht sie schließlich und beim dritten Anlauf klappt es dann. Roy Blankenhorn, 47, hat 1994 das Weingut Blankenhorn in Baden von ihren Eltern übernommen. Seit zwei Jahren ist sie erste Vorsitzende des Frauen-Weinverbands Vinissima
taz.mag: Frau Blankenhorn, wozu gründet man einen Weinverband speziell für Frauen?
Roy Blankenhorn: Vor zwölf Jahren setzten sich sieben Frauen am Kaiserstuhl zusammen und sagten: Wir gründen ein Netzwerk nur für Frauen – keine Weinbruderschaft, wo man sitzt und trinkt. Sondern einen Verband mit Austausch, Seminaren und Informationen und der Möglichkeit, Ansprechpartner zu finden. Und dann sind wir relativ schnell gewachsen, seit drei Jahren haben wir eine eigene Geschäftsstelle.
Und das geht besser ohne Männer?
Der Ton, die Umgangsformen und auch die Zielsetzungen sind bei Vinissima völlig anders als bei vergleichbaren Gremien von Männern.
Der Ton?
Der Ton ist offener, vertrauter. Wir müssen uns gegenseitig nichts beweisen. Aber, um es klarzustellen: Wir sind kein Emanzenklub. Wir wollen uns gegenseitig fördern. Sei es, dass Leute aus der Marketingbranche ihr Wissen weitergeben, dass es ein Bilanz- oder Rhetorikseminar oder einen Kurs für Fachenglisch gibt. Ich selbst war zu Beginn skeptisch und habe gesagt: Ich komme erst zu Vinissima, wenn meine Kinder aus dem Gröbsten heraus sind und ich mich richtig engagieren kann. Und war dann wirklich überrascht über das freundschaftliche Miteinander.
Sind die Frauen im Weingeschäft denn nach wie vor im Hintertreffen?
Man muss sich anders behaupten, um gehört zu werden. Ich sitze in vielen Verbänden und Ausschüssen, wo ich jahrelang die einzige Frau war. Da muss man in allem, was man tut und sagt, besser sein als die Männer, um gleichwertig behandelt zu werden.
Es gibt Studien, nach denen Frauen den feineren Geschmackssinn haben. Eigentlich müssten sie den besseren Wein machen.
Vielleicht geht man als Frau sensibler, feiner damit um. Aber deswegen machen wir nicht per se besseren Wein.
Wie haben die Männer auf Vinissima reagiert?
Am Anfang sind wir belächelt worden: Was wollen die denn? Aber wir haben sehr gute Arbeit geleistet mit unseren Fortbildungsprogrammen und Seminaren. Einmal pro Jahr veranstalten wir auch ein weinpolitisches Forum, sei es zu neuen önologischen Verfahren oder zur Situation der europäischen Weinwirtschaft. Mittlerweile haben wir Sitz und Stimme sowohl im badischen als auch im deutschen Weinbauverband.
Wollen Sie speziell Frauen als Kunden gewinnen?
Das wird bei uns noch nicht so gepflegt, wir sind keine Verkaufsgruppe, sondern ein Netzwerk. Aber es hätte sicherlich Sinn, wenn die Händlerinnen dieses Riesenpotenzial nutzen würden. Zu mir auf das Gut kommen viele Kundinnen. Ich erinnere mich noch an die Zeit, als ich Ausschankverkauf gemacht habe: „Das macht mein Mann“, haben die Frauen gesagt. „Aber Sie wissen doch selber, was Ihnen schmeckt“, habe ich geantwortet, aber sie waren nicht zu überzeugen: „Nein, das macht mein Mann.“
Ist seitdem nicht Bewegung in die Branche gekommen?
Das stimmt, gerade bei den Sommeliers. Vor zehn Jahren war da Paula Bosch die einzige. Als Weinkellnerin wurde man lange von den Gästen gefragt: Verstehen Sie überhaupt was davon? Heute ist das anders. Immer mehr Frauen studieren Önologie oder machen eine Weinlehre. Aber es bleibt natürlich ein Knochenjob. Und dazu nimmt es einem niemand ab, die Kinder zu bekommen und aufzuziehen.
Wie haben Sie es denn gemacht?
Nun, ich habe einen supertollen Mann, der mir viel abnimmt und eine freudvolle Chaostoleranz hat. Wenn ich zurückschaue auf meine Eltern, war das anders: Meine Mutter hat meinem Vater den Rücken frei gehalten und natürlich hat sie auch noch für die Herbstleute gekocht. Ich mache den gleichen Job wie mein Vater damals, aber dazu kommen noch Garten, Haus und Schulaufgaben. Von den Winzersfrauen erwartet man, dass sie sich um die Kinder kümmern, um die Kundschaft, dass sie in die Reben gehen und gleichzeitig noch als Dekoration etwas hermachen.
War es damals selbstverständlich, dass Sie als Tochter das Gut übernehmen konnten?
Wir waren vier Töchter, ich war der einzige Mann.
Mann?
Es war eigentlich klar, dass ich ein Sohn werden sollte und ich bin dann auch ein bisschen burschikos geraten. Aber es war in der Tat sehr schwierig, eine Lehrstelle für mich zu finden.
Wollten die Winzer Sie nicht ausbilden?
Es war zum einen ein Unterbringungsproblem und zum anderen haben die Winzer gesagt: „Was, ein Mädchen will Winzer werden?“ In der Berufsschule waren wir gerade mal zwei Mädchen und in der Technikerschule auch.
Stört es Sie, immer häufiger die Töchter und Ehefrauen der Winzer als Werbeträgerinnen zu sehen, auch wenn vielen von ihnen gar keinen Einfluss auf das Produkt hatten.
Wenn man etwas Schönes im Haus hat, zeigt man es eben. Würde man einen zahnlosen Winzer zeigen, der grinst, weiß ich nicht, ob das so ansprechend wäre. Wenn die Frauen hübsch sind, sollen sie sie doch zeigen.
Also kein falscher Dogmatismus.
Was mich viel mehr aufregt, ist die Frage: Stehen Sie auch selbst im Keller? Den Inhaber eines Weinguts – der auch nicht im Keller steht – würde das auch niemand fragen. Ich habe 25 Hektar, da kann man nicht überall alles machen.
Stehen Sie denn im Keller?
Sicher stehe ich auch mal im Keller. Ich habe es gelernt, ich kann es, aber dazu habe ich einen Kellermeister, weil ich mich um Verkauf und Marketing kümmere.
Sie haben drei Töchter – wird eine von ihnen die Winzerinnentradition fortsetzen?
Die Jüngste wird es wahrscheinlich machen. Aber ich sehe das durchaus auch mit Sorge: Die Zeit ist nicht die beste. Wir arbeiten in einem Land, in dem wir sehr teuer produzieren, und verkaufen ein landwirtschaftliches Produkt, bei dem die Mühe, die dahinter steht, von einigen nicht wirklich wertgeschätzt wird. Dazu kommt die Aldi-Rennerei, immer nur billig-billig heißt es. Man kann die Wirtschaft nicht schlimmer kaputtmachen. Andererseits wollen die Leute Qualität, Beratung und eine angenehme Atmosphäre. In so einer Situation ist egal, ob man Mann oder Frau ist.
FRIEDERIKE GRÄFF, Jahrgang 1972, lebt als freie Journalistin in Berlin