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Archiv-Artikel

Beweis mir deine Unschuld

Innensenator bleibt hart – obwohl Murat Kurnaz von Guantánamo aus die Aufenthaltserlaubnis nicht hätte verlängern können

Bremen taz ■ Der Innensenator bleibt eisern: Der Guantánamo-Häftling Murat Kurnaz kann nicht einfach nach Bremen zurückkehren, wenn er aus dem amerikanischen Militärgefängnis entlassen würde. Begründung: Die Aufenthaltsgenehmigung von Murat Kurnaz sei ausgelaufen, da er sich länger als sechs Monate im Ausland aufgehalten habe, so Markus Beyer, Sprecher von Thomas Röwekamp (CDU). „Weltfremd, wenn nicht gar zynisch“ sei diese Haltung, sagte gestern der Bremer Anwalt von Kurnaz, Bernhard Docke.

Murat Kurnaz ist gebürtiger Bremer mit türkischem Pass. Er war im Herbst 2001 nach Pakistan gereist und dort verhaftet worden. Seit Anfang 2002 sitzt er wegen angeblicher terroristischer Kontakte in Haft in Guantánamo Bay. Erstmals konnten Anwalt Docke und sein amerikanischer Kollege Baher Azmy am vergangenen Montag in New York die Akten mit der Anklage gegen Kurnaz einsehen. Ergebnis: Ihr Mandant gilt den USA als „enemy combattant“, als feindlicher Kämpfer, der Kontakt zu Al Quaida gehabt haben soll (siehe auch Seite 7). Die angeblichen Beweise hält Docke allerdings für dürftig. Er glaubt: Den Federal District Court in Washington wird das nicht überzeugen. An diesem Gericht haben die Verteidiger eine Haftüberprüfung beantragt.

Doch wohin kann Kurnaz gehen, wenn das Gericht ihn tatsächlich freispricht? Anwalt Docke will beantragen, die Aufenthaltsgenehmigung seines Klienten für Deutschland wieder einzusetzen. Dann könnte er sofort nach Bremen zurückkehren.

„Hätte Murat Kurnaz während einer Vernehmung sagen sollen: Kleinen Moment mal, ich muss noch eben bei der Bremer Ausländerbehörde anrufen, meine Aufenthaltserlaubnis verlängern?“, fragt Docke. Das Innenressort meint hingegen, Kurnaz hätte die Genehmigung bereits vor seinem Abflug nach Pakistan im Herbst 2001 verlängern lassen sollen – „schließlich war das kein Pauschalurlaub“, so Beyer.

Nach Ansicht der Behörde müsste Kurnaz nach der Freilassung zunächst ein Deutschland-Visum beantragen – und dieser Antrag müsste erst einmal geprüft werden. „Denn nur weil Kurnaz freigelassen wird, ist das ja noch kein Beweis seiner Unschuld“, meint Rolf W. Herderhorst, innenpolitischer Sprecher der CDU-Fraktion.

Die Bremer Staatsanwaltschaft habe, so Docke, wegen angeblicher terroristischer Kontakte in Bremer Moscheen ermittelt. Verdächtigt wurden vier Personen – darunter Kurnaz. Drei der Verfahren sind nach Aussage Dockes inzwischen endgültig eingestellt. Das gegen Kurnaz hingegen ruht, weil er bislang zu keiner Verhandlung erscheinen konnte.

Einer der drei Entlasteten, der Bremer S. B., soll übrigens nach Ansicht des US-amerikanischen Militärtribunals geplant haben, gemeinsam mit Kurnaz in Afghanistan zu kämpfen. Später habe S. B. dann ein Selbstmordattentat begangen – für das Tribunal ein Beweis für Kurnaz’ terroristische Kontakte. Tatsächlich lebt S. B. unbescholten in Bremen und erfreut sich bester Gesundheit. Dorothea Siegle