: Vorsorge mindert den Schaden
Der Vermieter muss für die Gemeinschaftsflächen auf und vor seinem Grundstück alle notwendigen Vorkehrungen treffen und Gefahrenquellen beseitigen, damit sich Mieter, Besucher und Passanten nicht verletzen. Für etwaige Schäden haftet er
VON ANDREAS LOHSE
Gefahrenquellen im Mietshaus gibt es genug: Da hat die Putzkolonne den Boden spiegelglatt poliert, die Treppenhausbeleuchtung erlischt ausgerechnet dann, wenn man zwischen zwei Etagen steht, oder im eisigen Winter ist der Weg vor dem Haus nicht gestreut. Doch grundsätzlich gilt: Der Vermieter hat eine „Verkehrssicherungspflicht“. Er muss für die Gemeinschaftsflächen auf seinem Grundstück alle erforderlichen Vorkehrungen treffen und Gefahrenquellen zum Beispiel in Hauszugängen, Treppenhaus und Gemeinschaftsräumen wie Keller, Dachboden oder auch Waschküche beseitigen, damit sich Mieter und Besucher nicht verletzen. Vernachlässigt der Eigentümer seine Pflicht, könnte ihn das teuer zu stehen kommen; womöglich macht er sich gar schadenersatzpflichtig.
So wollte in Koblenz eine 70-jährige Mieterin eines Abends ihren im selben Haus lebenden Sohn besuchen. Mitten auf der Treppe passierte es: Das Licht erlosch, denn die Leuchtdauer war automatisch auf 20 Sekunden begrenzt. Die Frau stürzte im Dunkeln und brach sich Oberarm und Schulter. Das Oberlandesgericht sprach ihr Schmerzensgeld in Höhe von seinerzeit 10.000 Mark zu. „Leuchtet das Treppenhauslicht nur 20 Sekunden, so verletzt der Hauseigentümer seine Verkehrssicherungspflicht“, begründeten die Richter. Nach allgemeiner Anschauung nämlich dürfe man erwarten, beim Durchlaufen des Treppenhauses nicht von Etage zu Etage jeweils das Licht neu einschalten zu müssen (Oberlandesgericht Koblenz, Az. 5 U 324/95).
Doch nicht nur im Haus selbst, auch auf dem Grundstück und davor muss der Eigentümer Sorgfalt walten lassen. Gefahren auf dem Grundstück drohen vor allem dann, wenn – wie jetzt – der Herbst und später der Winter mit großen Schritten nahen. So stürzten in einem Fall bei Sturm Kaminteile vom Dach auf ein auf dem Grundstück des Mietshauses geparktes Auto. Der dadurch entstandene Schaden musste vom Vermieter ersetzt werden, entschied der Richter. Er ging dabei von der Vermutung aus, der Gebäudebesitzer habe den Schornstein nur mangelhaft warten lassen. Er genüge seiner Sorgfaltspflicht nicht allein dadurch, dass er den Kamin regelmäßig durch den Schornsteinfeger überprüfen lasse. Der sei für die Prüfung der Standsicherheit eines Schornsteins weder zuständig noch kompetent. Auch habe es sich bei dem Sturm nicht um ein außergewöhnliches Naturereignisses im Sinne „höherer Gewalt“ gehandelt, denn Windstärken von 11 bis 12 – wie hier – gehörten noch nicht dazu (Amtsgericht Grevenbroich, Az. 11 C 115/99).
Allerdings muss gerade bei fallendem Herbstlaub der Vermieter nicht jedem einzelnen Blatt hinterherjagen, aus Furcht, es könne jemand darauf ausrutschen – so wie es in zwei Fällen in Nürnberg und Frankfurt geschehen war. Die Passanten, die sich durch die Stürze Fußverletzungen zugezogen hatten, verklagten die Grundstückseigner – ohne Erfolg. So meinten beispielsweise die Frankfurter Richter, gerade im Herbst sei die Rutschgefahr offenkundig, und jeder müsse sich ihrer auch gewahr sein (Oberlandesgericht Frankfurt, Aktenzeichen 1 U 75/95; Oberlandesgericht Nürnberg, Aktenzeichen 4 U 3149/92).
Fällt der erste Schnee, so ist jeder Grundstücksbesitzer verpflichtet, sich der Sicherheit rund ums Haus zu vergewissern und etwaige Gefahren auszuschalten. So betrachtete es das Dresdener Oberlandesgericht aufgrund der örtlichen Gegebenheiten in Freiberg/Sachsen sogar als Pflicht des Hauseigentümers, bei einem Dach mit großer Neigung (hier: mehr als 50 Grad) auch auf den Gauben Schneefanggitter anzubringen, damit herabrutschende Schneemassen nicht Passanten und Fahrzeuge gefährden (OLG Dresden, Az. 8 U 696/96).
Ebenso wie um das Dach hat sich der Vermieter um die Schnee- und Eisbeseitigung auf den Gehwegen zu kümmern. Aber: Ein Fußgänger muss auch hier wiederum selbst aufpassen, wohin er tritt. So schilderte die Landesbausparkasse Berlin einen Fall, bei dem im Winter ein Passant auf dem Gehweg ausrutschte und sich verletzte: Er stürzte über ein großes Eisstück, das trotz Schneeräumung liegen geblieben war. Der Verletzte forderte Schadenersatz und begründete dies damit, der Besitzer sei seiner Verkehrssicherungspflicht nicht nachgekommen. Er hätte dafür sorgen müssen, alle Gefahrenquellen zu beseitigen. Der Hauseigentümer widersprach und meinte, niemand könne lückenlos rund um die Uhr für die Sicherheit der Fußgänger sorgen. Der Rechtsstreit ging bis vor den Bundesgerichtshof. Die Karlsruher Richter folgten letztlich den Argumenten des Hausbesitzers: Ihm sei nicht zuzumuten, eine bereits freigeschaufelte Fläche „noch auf das letzte Restchen abzusuchen“, schließlich könne sich auch durch Tropfwasser schnell eine Eisfläche bilden. Der Hausbesitzer müsse zwar mit so viel Sorgfalt vorgehen, dass Passanten bei entsprechender Vorsicht den Gehweg gefahrlos begehen könnten. Gerade bei kalter Witterung könne aber auch von einem Fußgänger eine verstärkte Aufmerksamkeit erwartet werden. Er müsse sich selbst vergewissern, ob „beim Räumen nicht kleine Eisflächen übrig geblieben sind“ (Aktenzeichen VI ZR 75/98).
Das allerdings sollte niemand falsch verstehen: Es ist kein Freibrief für Nachlässigkeit. So entschied das Berliner Kammergericht, dass selbst „bei andauerndem gefrierendem Sprühregen Streumaßnahmen nicht ohne weiteres zwecklos“ seien: Bei einem Unfall hafte der Streupflichtige nämlich durchaus wegen Verletzung der Verkehrssicherungspflicht (Aktenzeichen 9 U 5915/97).
Bestreitet der Hausbesitzer den Sinn solcher Maßnahmen, müsse er, so ein anderer Fall, schon sehr substanziiert darlegen und beweisen, dass extreme Witterungsverhältnisse wie Eisregen oder gefrierender Sprühregen gerade am Unfallort herrschten und deswegen seine Streupflicht entfalle, weil sie offenkundig sinnlos sei (Landgericht Berlin, Az. 58 S 549/97).
Fazit: Ein kleiner regelmäßiger Rundgang des Verwalters oder Eigentümers durch Haus und Hof kann Gefahrenstellen offenbaren, und Mieter – letztlich auch den Hausbesitzer – vor großem Schaden bewahren.