■ Ein Drittel der Opel-ArbeiterInnen stimmte für die Fortführung des Streiks : Regelrecht übertölpelt
betr.: „Wilder Streik endet ordentlich“, taz vom 21. 10. 04
Der Streik der Opel-Arbeiter hat Millionen Menschen Mut gemacht, die ebenso von Arbeitslosigkeit, Hartz IV und Sozialabbau bedroht sind. Der Streik hatte gerade begonnen Wirkung zu zeigen, die Solidarität der Bochumer Bevölkerung war enorm und begann sich auch international an den anderen Opel-/GM-Standorten zu entwickeln. Der Streik hätte das Kräfteverhältnis zwischen Management und Arbeitnehmern entscheidend zugunsten der Letzteren verändern können – und dies im Übrigen nicht nur bei Opel.
Umso erbärmlicher die Haltung der IG-Metall-Führung und des Betriebsrats. Schon die absurde Benennung des Streiks als „Informationsveranstaltung“ sowie ständige Appelle, an die Arbeit zurückzukehren, ließen nichts Gutes erahnen. Um den Abbruch des Streiks zu erreichen, wurde die Belegschaft nunmehr regelrecht übertölpelt – zur Erleichterung der Manager und der Regierung. Und warum? Weil die IGM-Führung die Kontrolle über ihre Basis behalten muss. Würde das Beispiel der Opel-Arbeiter nämlich Schule machen, stünde sehr bald auch die ganze sozialpartnerschaftliche Strategie der Gewerkschaftsführer in Frage, welche die Manager längst aufgekündigt haben. Es bleibt zu hoffen, dass diese schäbige Haltung von Huber, Peters und Co. nicht zur totalen Enttäuschung bei den Arbeitern in Bochum führt. CHRISTIAN GODAU, Kiel
betr.: „Alles halb so wild“, taz vom 21. 10. 04
Peinlich die Tatsache, dass ein wichtiger Punkt überhaupt nicht zur Sprache kommt. Diese Arbeitsniederlegungen, die in der Tat Informationsveranstaltungen ohne Gänsefüßchen waren, sind einzig und allein von der Belegschaft, nur von der arbeitenden Belegschaft initiiert und unter Inkaufnahme größter persönlicher Risiken auch durchgezogen worden. Und dieser Belegschaft wurde bei der gestrigen Abstimmung das Rederecht verweigert. Neben der sehr zweifelhaften Formulierungskunst des Textes, der auch, ohne Belegschaft, von der Gewerkschaft vorgegeben war, ist das der eigentliche Hauptskandal dieser ganzen Veranstaltung.
Nicht die Zweidrittelzustimmung, sondern das eine Drittel Gegenstimmen sind besonders erwähnenswert. Dieses Drittel hat gezeigt: Es gibt nicht nur eine tiefe Kluft zwischen Politik und Volk, sondern zunehmend auch eine erschreckend tiefe Kluft zwischen den arbeitenden Belegschaften und ihren so genannten Arbeitnehmervertretungen. Deshalb hat Bochum trotz allem ein unübersehbares und auch nachhaltiges Zeichen gesetzt. Darüber sollten sowohl die Politik als auch besonders die Gewerkschaften und ihre Betriebsräte – und so ganz nebenbei auch der eine oder andere Leitartikler – nachdenken. JUTTA RYDZEWSKI, Bochum
Wie schon euer Kommentar von letzter Woche strotzte dieser vor Arroganz und Miesmacherei – trotz der guten und berechtigten Kritik an dem IG-Metall-Abstimmungsformulierungstrick. Statt sich hauptsächlich zu solidarisieren oder gar werks-, orts-, länderübergreifendes Denken und Handeln zu befördern, stimmt die taz nach meinem Eindruck immer häufiger ein in: „Es hat ja eh keinen Sinn; findet euch damit ab.“ Schöner fände ich die Anlehnung an Brecht „Wer kämpft, kann verlieren, wer nicht kämpft, hat schon verloren.“ Verstehen kann ich die Opelaner, es geht um ihre Zukunft, ihre Familien und Kinder, und auch ein gutes Stück um die Zukunft vieler. Was schlägt denn die taz und der Kommentator als positive Alternative vor? SVEN SOST-WOLTER, Stuttgart
Christoph Schurian sieht die Opelwelt sehr einfach. Und einfach ist es, auf die Gewerkschaften zu prügeln. Die immer wieder einen Kadertrick haben. Die Gewerkschaften sehen längst ein komplizierteres Gebilde: Opel/Macht/Politik/Globalisierung/US-Lobby. Der für mich berechtigte, legitime und sehr mutige Streik wurde von taz bis FAZ zum wilden Streik gestempelt. Organisiert haben ihn aber vor allem Gewerkschafter der IGM. Ich sehe zur Zeit keine andere Gegenmacht gegenüber den Opel-Kapitänen.
Und gewerkschaftliche Gegenmacht ist verdammt schwierig zu organisieren, weil auch taz und Christoph Schurian lieber auf Kastenarbeiter und Kastengewerkschaften trampeln. Solidarität und Unterstützung brauchen andere Kommentare.
A. MÜLLER-GOLDENSTEDT, Hamburg