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Archiv-Artikel

IN WEISSRUSSLAND WIRD ES KEINE DEMOKRATISCHE REVOLUTION GEBEN Opposition ohne Programm

So mancher mag in den Demonstrationen gegen Weißrusslands Autokraten Alexander Lukaschenko, den Sieger des so genannten Referendums, schon den Auftakt für eine Massenprotestbewegung gesehen haben. Doch ein Szenario wie in Serbien 2000 oder Georgien 2003 wird es in Weißrussland nicht geben. Vielmehr dürfte das kurzzeitige Aufbäumen einer Hand voll Kritiker eine Episode bleiben und sich schnell wieder eine bleierne Friedhofsruhe über das Land legen.

Die Apathie und das Desinteresse weiter Teile der Bevölkerung allein mit der – real begründeten – Angst vor Repressionen zu erklären greift jedoch zu kurz. Vielmehr sind Begriffe wie Demokratie und Menschenrechte für die meisten Weißrussen abstrakte Worthülsen und nach wie vor keine Werte, für die einzutreten sich lohnt. Die Menschenrechtler erscheinen wie Exoten und arme Irre, die aus welchem Grund auch immer bei ihren Demonstrationen im wahrsten Sinne des Wortes den Kopf hinhalten. Absorbiert vom täglichen Überlebenskampf zählt für die meisten Menschen im Lukaschenko-Reich vor allem Stabilität – zu welchem menschenverachtenden Preis auch immer.

An dieser Resignation trägt nicht zuletzt ein Großteil der Opposition erhebliche Mitverantwortung. Außer dem gemeinsamen Ziel, sich Lukaschenkos zu entledigen, sucht man meist vergeblich nach konkreten Programmen. Die wenigen, die überhaupt alternative Vorstellungen entwickelt haben, schaffen es nicht, sie dem Volk mitzuteilen – geschweige denn, es für sich einzunehmen. Anstatt vor Ort Kärrnerarbeit zu leisten, defilieren sie lieber auf europäischem Parkett. Dort schwadronieren sie in einem akademischen Diskurs über den Lukaschismus, so wie es der oppositionelle Vorzeigepolitiker Anatoli Lebedko vormacht.

Solcher Selbstverliebtheit gänzlich unverdächtig sind die jungen Menschen, die jetzt gegen Lukaschenko aufstehen. Ihre Anzahl wächst zwar langsam, aber beständig. In sie muss der Westen investieren. Dieses Engagement wird sich auszahlen: nicht heute, aber morgen. BARBARA OERTEL