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Archiv-Artikel

Klangrausch, Beifallsstürme

Bremer Philharmoniker spielen jetzt für sonntägliche Frühaufsteher. Zu hören gab es bei der gestrigen Premiere der neuen Abo-Serie Werke von César Franck und Maurice Ravel

„Das ist richtig Klasse, da ist man hellwach“, meinte eine Zuhörerin. Sie gehörte zu den Nutzerinnen des neuen Angebots der Bremer Philharmoniker, vier der Abonnementskonzerte auch vormittags durchzuführen. Ein Versuch, der langen Atem braucht, der sich aber gestern beim ersten Vormittagskonzert bereits als gelungen erwies.

„400 Abonnenten für diesen Zyklus, und wir haben insgesamt einen Abonnentenzuwachs von 20 Prozent“, erzählt der Geschäftsführer Christian Kötter. Im Konzert: viele Großeltern mit Enkeln, ein neues und Zukunft versprechendes Bild.

Und es gab Feinstes zu hören. Der kanadische Pianist Louis Lortie spielte Maurice Ravels berühmtes Klavierkonzert für die linke Hand. Es war im Auftrag des Pianisten Paul Wittgenstein entstanden, der im ersten Weltkrieg seinen rechten Arm verloren hatte.

Ravel hatte den kompositorischen Ehrgeiz, das physische Manko nicht hörbar werden zu lassen. Bei Lorties Anschlagskraft, Virtuosität und Klangfarbenreichtum war das bestens gewährleistet.

Das sorgfältig überlegte und gut passende Programm beinhaltete weiterhin Ravels wahrlich zauberhafte Ballettmusik „Ma Mère l’Oye“, bei der die psychoanalytische Komponente unüberhörbar ist: Kunst als Mittel, der musikalischen Vergangenheit wieder habhaft zu werden.

Behutsam und nachdrücklich dirigierte Christoph Prick das Werk, sehr nahe an den Musikern. Es war schon zu spüren, dass Prick zu den ausgesprochen gern gesehenen Dirigenten des Orchesters gehört.

Auch César Francks gewaltiger sinfonischer Erguss, seine einzige Sinfonie in d-Moll (1888), war bei Prick bestens aufgehoben. Allzu leicht klingt dieses chromatisch aufgebauschte hitzige Werk ermüdend, weil strukturelle Feinheiten nicht beachtet und – weil ja sowieso alles so wogt – Binnenartikulationen übergangen werden. Prick verfügt aber bis ins Detail über das Werk, wofür sein auswendiges Dirigat auch ein äußerlicher Beweis war.

Der finale Klangrausch rief Beifallsstürme im immerhin gut über die Hälfte gefüllten Saal hervor. Ute Schalz-Laurenze