Total ungerechter Zwischenruf : Und jetzt alle: Städtepartnerschaften!
Bremen will Kulturhauptstadt Europas im Jahr 2010 werden. Das ist gut so. Die Bremer Kulturszene will unbedingt zur Party eingeladen werden. Das ist gut so. Aber anstatt nun kreativ loszuplanen, unterwirft man sich in vorauseilendem Gehorsam allen möglichen Kriterien, um kulturhauptstadtwürdig zu gelten, also bei den Projektfördermitteln „Hier!“ schreien zu dürfen.
Mit den neuen EU-Staaten in Osteuropa kooperieren, das sollen Kulturhauptstädte. So ist es auch in Bremen politischer Wille, solche Kooperationen als langjährige zu behaupten. Also bitte schnell mal Kontakte zu künstlernden Menschen dort ausfindig machen, wo Bremen seit Jahren eine Städtepartnerschaft in Osteuropa unterhält. Also in Danzig (seit 1976) und Riga (seit 1985).
Diese offiziellen Freundschaften sind als solche im öffentlichen Bewusstsein kaum verankert, da sie nur punktuell und ohne Konzept mit Leben erfüllt wurden. Aber nun entdecken Bremens Kulturinstitutionen ihre Liebe zu Polen und Lettland. Keiner fragt, ob nicht ein Austausch – im Sinne der Kunst und der Städtepartnerschaft – mit den anderen Partnern Bremens sinnvoller, spannender, wichtiger, ergiebiger wäre, also mit Dalian (China), Haifa (Israel), Bratislava (Slowakei), Corinto (Nicaragua), Rostock (Ex-DDR) und Izmir (Türkei).
Mitmachen wollen auch die Schriftsteller. Nachdem die polnische Leiterin des Gröpelinger Nachbarschafthauses Helene Kaisen einen „Literarischen Garten“ für Autoren ihrer Heimat einrichten wollte, mussten die üblichen Verdächtigen nicht lange zur Mitarbeit überredet werden. Kulturhauptstadt-Punkte gibt es zu gewinnen. Also sind dabei die Günter Grass Stiftung, die Bremer Sektion des deutschen Schriftstellerverbandes und das Literaturkontor. Zwecks Vernetzung mit der Wissenschaft (weiteres Bewerbungskriterium zur Kulturhauptstadt) ist auch die Forschungsstelle Osteuropa der Uni Bremen dabei.
Bisher, so Inge Buck vom Schriftstellerverband, habe Städtepartnerschaft in Sachen Literatur nur aus privaten Kontakten bestanden. Und als dann doch mal eine Anthologie mit Texten Danziger Autoren in deutscher Übersetzung vorlag, „war sie nicht einmal lektoriert worden“.
Jetzt soll alles besser werden. Eine Bremer Literaturdelegation reiste nach Danzig, eine Danziger Delegation weilt in Bremen. „Nette, lockere Gespräche“ habe man geführt, so die polnische Autorin Emma Popik. Und eigene Texte dolmetschen lassen. Die Basis sei jetzt also da, um bis 2010 drei Projekte auf Kulturhauptstadtniveau realisieren zu können, meint Jürgen Dierking, Chef des Literaturkontors. Eine dreisprachige Anthologie der Literaturen aus den drei Partnerstädten soll herausgegeben, die Internetverlinkung ihrer jeweiligen Literaturszenen vollzogen sowie die polnische und lettische Gesamtausgabe des Werkes von Friedo Lampe publiziert werden. Lampe? „Der bedeutendste Bremer Autor“, so der Vorsitzende der Friedo-Lampe-Gesellschaft: Jürgen Dierking. All das umfasse auch der mit dem Kultursenator abgestimmte Kooperationsplan.
Anstatt für Visionen, Inhalte, Sinn zu kämpfen, wird das irgendwie schnell Machbare abgehakt. Bremen – Danzig und Riga. Und Schluss? Aufbruchstimmung entsteht so nicht. fis