: Kolumbianische Hardliner treten zurück
Innerhalb von drei Tagen verliert Kolumbiens Staatschef Álvaro Uribe seine zwei wichtigsten Minister
PORTO ALEGRE taz ■ Álvaro Uribe muss sich neu orientieren. Am Sonntag hat überraschend Verteidigungsministerin Marta Lucía Ramírez ihren Rücktritt erklärt – drei Tage, nachdem Innen- und Justizminister Fernando Londoño das Handtuch geworfen hatte. In beiden Fällen rücken Unternehmer nach: Jorge Alberto Uribe Echavarría (nicht verwandt mit dem Präsidenten) übernimmt das Verteidigungsressort, der Konservative Sabas Pretelt de la Vega wird Innen- und Justizminister.
Die Hardliner Ramírez und Londoño galten als Schlüsselfiguren beim Versuch Uribes, die beiden Guerillaorganisationen Kolumbiens, Farc und ELN, militärisch zu besiegen. Vor allem bei der US-Regierung erfreut sich der Kriegskurs großer Unterstützung und präsentiert sich erfolgreich: Innerhalb eines Jahres soll die Anzahl der Morde um 16, die der Entführungen gar um 22 Prozent zurückgegangen sein. Zuletzt meldete die Armee, fünf Farc-Kommandanten seien bei Kämpfen getötet worden. „Uribe ist ein außergewöhnlicher Führer“, meint US-Staatssekretär Roger Noriega. „Unsere Politik funktioniert: Kokaproduktion, Gewalt und Guerillaangriffe sind allesamt zurückgegangen.“
Die KolumbianerInnen selbst sehen das skeptischer. Zwar erhält Uribe auch in jüngsten Umfragen gute Noten, doch seit seiner doppelten Niederlage bei der Volksabstimmung und den Regionalwahlen vor zwei Wochen disponiert er um. Durch eine Verfassungsänderung hatte er drastische Haushaltskürzungen durchsetzen wollen, über die jetzt doch wieder der Kongress mitentscheidet. Eine Neuverhandlung der Auslandsschulden sei unumgänglich, räumte Uribe ein. Angesichts leerer Kassen ist ein militärischer Sieg über die Guerilla noch unwahrscheinlicher geworden.
Der skandalumwitterte Uribe-Intimus Londoño musste gehen, nachdem er konservative Parlamentarier zur Unterstützung der Regierungspolitik gedrängt hatte. Uribe könne zurücktreten und Neuwahlen ansetzen, drohte er im Paralamentsgebäude. Pech für ihn, dass im Nebenraum ein Radioreporter das Gespräch mitschnitt und anschließend die schwache Position des angeblich übermächtigen Präsidenten öffentlich machte.
„Uribe muss Flexibilität zeigen,“ meint auch der Politologe Fernando Cepeda. „Sonst könnte er abstürzen.“ Ob es sich bei den Neubesetzungen tatsächlich um den Beginn eines Kurswechsels handelt, bleibt allerdings abzuwarten. Während politische Beobachter in Bogotá noch über die Hintergründe des Rücktritt von Ramírez rätseln, hat die Nominierung von Sabas Pretelt vorsichtigen Optimismus ausgelöst.
Pretelt, der in den letzten 14 Jahren den Unternehmerverband Fenalco geleitet hatte, muss nun zwischen dem Staatschef und dem Kongress vermitteln. Der als konziliant geltende Manager war in den letzten Jahren bereits an Friedensgesprächen mit der ELN und den Farc beteiligt. Durch Pretelts Nominierung „öffnet sich eine Tür zum Dialog“, hofft die linksliberale Senatorin Pilar Córdoba, eine der vehementesten Kritikerinnen des Gespanns Uribe/Londoño. GERHARD DILGER