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Archiv-Artikel

Gefesselt wie ein Tier

betr.: „Milde Strafe für Grenzschutzbeamte“, taz vom 19. 10. 04

Der tote Abschiebehäftling hat einen Namen: Aamir Ageeb. Die drei BGS-Beamten, die ihn vor über fünf Jahren im Flugzeug „in einem minder schweren Fall von Körperverletzung“ getötet haben, bleiben anonym. Der Richter bemängelt die damaligen Strukturen bei der Abschiebepraxis von BGS und Bundesinnenministerium. Er verweist auf die „menschenunwürdige Quälerei, der Ageeb schon in der Gewahrsamszelle ausgesetzt gewesen sei“ und darauf, dass diese Art der Fesselung nicht nur jeder Vorschrift widersprochen, sondern „diese Fesselung wie ein Tier mit der Menschenwürde nicht mehr vereinbar“ gewesen sei. Er fügte hinzu, „solche Bilder hat man doch erst kürzlich gesehen, Abu Ghraib lässt grüßen“. Richtig. Wie aber ist der Widerspruch zu der Strafbemessung zu erklären?

Rechtliche Konsequenzen für übergeordnete Personen, von denen – wie zu erwarten – niemand persönlich verantwortlich ist, entfallen. Das milde Urteil für die BGS-Beamten (keine Haft, ein Monatsgehalt Geldstrafe und weitere Beamtenlaufbahn mit Pensionsanspruch) wird mit dem für Laien nicht nachzuvollziehenden Satz gerechtfertigt, „in ganz besonderen Fällen sei es statthaft, den gesetzlichen Strafrahmen zu unterschreiten“. „Der ganz besondere Fall“ brachte für Aamir Ageeb den Tod und für die Angeklagten einen De-facto-Freispruch.

Dieses Urteil zeigt trotz der anzuerkennenden offenen Kritik des Richters dann aber bei den strafrechtlichen Konsequenzen eine bedenkliche Verquickung von Exekutive und Justiz, die nicht das Leben schützt, sondern die Täter.

JÜRGEN HÖLZINGER, Mitglied des Ausschusses

für Menschenrechtsfragen der Berliner Ärztekammer