: Möblierter Anspruch
Nicht Tosca-Rot, nicht Freischütz-Grün: Die neuen Klapp-Sessel fürs Goethe-Theater sind in ihrem Flimmer-Grau nur auf der Baustelle ein Star. Im Sitztest bewiesen: Wegdämmern erlauben sie nicht
Rrrrrrrúmmmms! Von der Decke fallen sechs Steine. Der Mörtel staubt, die Flex jault, Whiihiaaaaaaaaááárgh! , metallischer Brandgeruch, und Lutz-Uwe Dünnwald ist für einen Moment überhaupt nicht mehr zu verstehen. Der Geschäftsführer des Bremer Theaters präsentiert den Prototyp des neuen Sessels fürs große Haus am Goetheplatz mitten auf der Baustelle. Der Zuschauerraum ein Wald aus Stahlstangen, in der Betonrampe kreisrunde Löcher, Durchmesser etwa 10 Zentimeter. „Die sind für die Lüftung.“
Der Sessel ist, wie Dünnwald sagt, „der alte“. Allerdings kräftig aufgearbeitet. Auf diese Weise lässt sich der Preis auf 250.000 Euro für 806 Stück drücken. Ein guter Deal, scheint’s: Die Komplettbestuhlung, neu, hätte sich auf450.000 belaufen. „Die Umbauosten“ – 16 Millionen Euro – „sind und bleiben gedeckelt“, stellt Dünnwald klar. „Und der Eröffnungstermin steht auch.“
Einen Hauch 90er-Jahre Eleganz hat das Möbelstück erhalten. Wie sagt man gleich so schön? Distinguiert. Weich ist er schon. Aber dabei doch nicht so schwammmäßig, dass man tief einsinken würde, sondern fest und straff: Das Polster setzt dem Sich-Setzenden etwas entgegen, statt samten zu umschmeicheln oder gar in Watte zu packen und derart hinterrücks in behaglicher Zufriedenheit zu wiegen. Ein klarer Widerstand – das ist wichtig: Der Klappsessel verbietet das Wegdämmern.
Und auch die Farben: Dunkler sind das Holz und die Scharniere, der Bezug kommmt ohne Rippenmuster aus. Beige: Das war einmal. Jetzt aber weder Tosca-Rot, noch Freischütz-Grün, sondern glanzlos Alltags-Flimmer-Grau. Der Stuhl als Ausdruck des Anspruchs? Über langweilige Theaterabende hülfe dieses Muster jedenfalls nicht hinweg. BeS
Eröffnung: September 2004