: Virus Studiengebühren
betr.: „Die Gebühr, die Konto heißt“ (Studiengebühren), taz vom 5. 11. 03
Es ist zynisch, den Zusammenhang von sozialer Herkunft und Bildungschancen heranzuziehen, um nachgelagerte Studiengebühren einzufordern. Sybille Volkholz von der Heinrich Böll Stiftung argumentiert so und übersieht zum einen, dass Studiengebühren einen abschreckenden Effekt auf AbiturientInnen mit bildungsferner Herkunft haben. Und dass es unter den Akademikern mit abgeschlossenem Studium je nach sozialer Herkunft ganz unterschiedliche Karrierechancen gibt (Hartmann: „Der Mythos der Leistungseliten“) –, dieser Unterschied würde durch nachgelagerte Studiengebühren noch weiter verschärft, zumal ja Akademiker mit bildungsferner Herkunft in der Regel bereits 10.000 Euro Bafög-Schulden haben. Und Studiengebühren ab dem 1. Semester fallen auch auf Auszubildende zurück, da bereits gefordert wird, dass auch diese für ihre Ausbildung zu zahlen haben. Daher unsere Empfehlung: wer für unsere Interesse sprechen möchte, sollte erst mal Kontakt mit uns aufnehmen. ANDREAS KEMPER,
Referent für finanziell und kulturell benachteiligte
Studierende, AStA Uni Münster
Der Virus Studiengebühren hat jetzt auch die SPD richtig ergriffen. Da dieser Virus wohl kaum mehr wegzubekommen ist und das Bildungssystem vom Kindergarten bis zur Hochschule nicht nur schlecht organisiert, sondern auch vor allem unterfinanziert ist, scheint mir der erfolgversprechendste Weg, mit diesem Thema umzugehen, der zu sein, ein sinnvolles Modell zu finden. Dafür müssten meiner Meinung nach drei Kriterien erfüllt sein:
1. müsste das Modell breit mitgetragen werden, was wohl dann am besten gelingt, wenn es einen Vertrag zwischen Bund, Ländern, Hochschulen und Studierenden enthält, bestehende Rückmelde- und Langzeitgebühren sowie Gutscheine zurückzunehmen, auf die Einführung direkter Studiengebühren und kontingentierter Bildungsgutscheine zu verzichten, die Bildungshaushalte in den nächsten Jahren nicht zu kürzen, Einnahmen dem Bildungssystem zur Verfügung zu stellen und Länderkompetenzen bei den Ländern zu lassen.
2. müsste das Modell sozial einigermaßen tragfähig sein und dürfte nicht zu einer weiteren Ökonomisierung des Gutes Bildung beitragen. Hier erscheint mir einzig eine pauschale, prozentual vom Einkommen abhängige Inanspruchnahme von AkademikerInnen gangbar, die nicht als Steuer, sondern als Beiträge beispielsweise zu einem Bildungsfonds oder zu einer Bildungssolidarkasse operationalisiert werden müsste.
3. Schließlich müsste ein derartiges Modell generationengerecht sein, d. h. auch diejenigen AkademikerInnen zur Kasse bitten, die seit der Abschaffung der Hörergelder in den 1960er-Jahren in den Genuss eines steuerfinanzierten Hochschulsystems gekommen sind. Das hätte darüber hinaus den Vorteil, dass aus so zustande kommenden Mitteln sofort einige der gröbsten Missstände behebbar wären. Also: wenn schon Studiengebühren, dann wenigstens sinnvolle! TILL WESTERMAYER, Freiburg
Die Redaktion behält sich Abdruck und Kürzen von LeserInnenbriefen vor.Die erscheinenden Briefe geben nicht unbedingt die Meinung der taz wieder.