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Archiv-Artikel

chance für schavan Emanzipation von den Kungelrunden

Das ist neu in der deutschen Politik: Eine Frau wagt es, offen um ein Spitzenamt zu kämpfen. Kultusministerin Annette Schavan will baden-württembergische Ministerpräsidentin werden – und fordert damit viele mächtige Männer heraus. Denn die CDU-Landtagsfraktion würde lieber ihren Chef Günther Oettinger nominieren. So viel Traute hatte noch keine Frau in Deutschland.

KOMMENTARVON ULRIKE HERRMANN

Zwar haben es bereits andere Frauen in Führungspositionen geschafft – aber sie profitierten dabei stets von den Umständen. So wurde Heide Simonis schleswig-holsteinische Ministerpräsidentin, weil sich ihr Vorgänger Björn Engholm in die Barschel-Affäre verstrickt hatte. Angela Merkel wurde CDU-Vorsitzende, weil Wolfgang Schäuble in die Spendenaffäre geriet. Ute Vogt wiederum durfte sich als SPD-Spitzenkandidatin in Baden-Württemberg abrackern, weil ihre männlichen Parteikonkurrenten den Sozialdemokraten bei der letzten Landtagswahl sowieso keine Chance einräumten. Aussichtslose Posten werden gern an kompetente Frauen vergeben. Vor allem, wenn sie auf den Plakaten gut aussehen.

Schavan hingegen kämpft offen um ein attraktives Amt. Das ist ungewohnt, aber nicht zufällig. Denn in der CDU ereignet sich eine kleine Kulturrevolution: Die Hinterzimmerpolitik wird abgeschafft. Nicht mehr Kungelrunden entscheiden, sondern immer häufiger die Basis. Die klassische männliche Bündnisstrategie wird damit obsolet – nun muss man das einfache Parteimitglied begeistern. Merkel kann das – es ist auch die Zustimmung auf den CDU-Regionalkonferenzen, die sie im Amt hält. Ob Schavan die Mitglieder überzeugt, muss sich noch zeigen. Aber immerhin hat sie jetzt die Chance, es zu versuchen.

Dabei hilft ihr ironischerweise, dass es schon Ute Vogt gibt. Hätte die SPD in Baden-Württemberg einen Familienvater wie Oettinger als Frontfigur, dann würde sich die CDU wahrscheinlich schwer tun, nicht ebenfalls auf das traditionelle Rollenmodell zu setzen. Zu groß wäre die Sorge, die ländlichen Stammwähler zu verprellen. So aber können die CDU-Mitglieder frei entscheiden, ob sie eine beispiellose Landtagswahl wollen: Zwei katholische Frauen, beide ledig, würden gegeneinander antreten. Deutschland würde moderner, denn so viel Gleichberechtigung gab’s noch nie.

Ausgerechnet durch die Union, ausgerechnet in Baden-Württemberg. Es wäre wirklich erstaunlich.