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Archiv-Artikel

Die Popschule

An der Hamburger Hochschule für Musik gibt es einen Kurs für etwas, was man eigentlich gar nicht lernen kann. Junge deutsche Bands wie „Selig“ oder „Wir sind Helden“ haben sich hier gefunden. Ein Besuch in der Unterrichtspause

von Michael Unterberg

Es sind Semesterferien, und die Schläfrigkeit von suspendiertem Hochschulalltag liegt über der Hamburger Hochschule für Musik und Theater. Vereinzelt huschen Studenten mit Partiturnoten unter dem Arm über die verwaisten Flure. Es ist ausgesprochen still. Und hier soll der berühmte Popkurs stattfinden, die Talentschmiede der deutschen Popmusik, in der sich die Keimzellen solch erfolgreicher Bands wie Selig, Seeed und Wir sind Helden gefunden haben?

Wo ist denn der Biergeruch, das Dröhnen verzerrter Gitarren, all das wilde Rock- und Popgedöns? Vielleicht doch der falsche Tag? Doch da öffnet sich die Tür zum Orchesterstudio, und ein Schwall junger Menschen flutet in das verlassene Foyer. Gesprächsfetzen von Diskussionen über Konzertbesuche, Verstärkerqualitäten und anstehende Proben füllen den Raum. Der Popkurs 2004 hatte Vollversammlung, und der Miene der Organisationsleiterin Katja Bottenberg nach zu urteilen lief alles bestens. „Sehr zufrieden“ ist die gelernte Sängerin mit den 55 TeilnehmerInnen dieses Jahres. Einige der Musiktalente im Alter zwischen 16 und 25 Jahren hätten durchaus das Zeug, groß rauszukommen. Auf Namen festlegen will sie sich aber nicht: „Da verschätzt man sich ja immer wieder.“

Inzwischen haben sich die PopkurslerInnen in kleineren Gruppen über die Proberäume verteilt, nach kurzer Zeit sind die ersten gedämpften Riffs und Schlagzeugeinsätze in den Fluren zu hören. Vor den schallisolierten Türen wird derweil relaxt gefachsimpelt. Gitarrendozent Peter Weihe, einer der bekanntesten Studiomusiker Deutschlands, referiert in kleiner Runde über die Grifftechniken großer Gitarrenhelden.

Um in den Genuss dieser entspannten Kreativatmosphäre zu kommen, mussten die TeilnehmerInnen zu Jahresbeginn den Stress des Vorspielens vor versammelter Dozentenschaft überstehen. Und das ist kein Selbstläufer: Nur etwa jede fünfte Bewerbung beim Popkurs hat Erfolg. Sönke, Jonas und Jörn, drei Schlagzeuger, die sich im Foyer die Zeit bis zu ihrer nächsten Probe vertreiben, waren darunter. Ob dabei, wie von ihnen gemutmaßt, die Qualitäten „blendendes Aussehen“ (Sönke), „Egoschwein“ (Jonas) und „krasse Frisur“ (Jörn) den Ausschlag gegeben haben, ist allerdings fraglich. Auf jeden Fall sind sie froh, dabei zu sein. Nirgendwo sonst könne man in so kurzer Zeit so viele Kontakte zu Musikerkollegen knüpfen und sich musikalisch mit ihnen austauschen. Konkurrenzdenken und Posertum gebe es nicht. „Hier ist jeder Fan von jedem“, urteilen sie unisono. Ein idealer Nährboden also für die Entstehung einer raren Essenz: Bandchemie.

Als reine Kontaktbörse will Anselm Kluge, Dozent für Bass und Bandcoaching, den Popkurs aber nicht verstanden wissen. Kluge hat als Musiker und Produzent, unter anderem von Jule Neigel, reichlich Erfahrung im Musikgeschäft gesammelt. Ersieht die vorrangige Aufgabe des Kurses darin, den Teilnehmern eine Basis für ihre weitere Musikerlaufbahn zu geben. Dazu gehöre auch der Einblick in die wirtschaftlichen Mechanismen des Musikbusiness: „Das sind ja alles kleine Existenzgründer.“

In musikalischer Hinsicht geht es Kluge zufolge darum, Anstöße für eigene Experimente und Erfahrungen der Teilnehmer zu geben. „Die Leute sollen gefälligst was Neues erfinden.“ Das sei schließlich der produktive Kern von Popmusik: ständige Erneuerung.

Doch die seit 1982 währende Erfolgsgeschichte des Popkurses droht von einem kurzen Passus im neuen Hamburger Hochschulgesetz beendet zu werden. Demnach können berufliche Weiterbildungsangebote, und als ein solches wird der Popkurs von der Wissenschaftsbehörde angesehen, ab nächstem Jahr keine öffentlichen Zuschüsse mehr erwarten und müssen kostendeckend finanziert werden. Bei gleichem Kursprogramm würde das bedeuten, dass ab nächstem Jahr statt der bisherigen 500 Euro Eigenbeteiligung das Fünffache erhoben werden müsste. „Das käme der Abschaffung des Kurses gleich“ ist sich Katja Bottenberg sicher.

Damit das nicht eintritt, ist man jetzt auf der Suche nach alternativen Finanzierungsformen. Die Anmeldung für das nächste Jahr läuft jedenfalls weiter.

Bewerbungen bis 31. Dezember an: Kontaktstudiengang Popularmusik, Hochschule f. Musik und Theater, Harvestehuder Weg 12, 20148 Hamburg; Tel. 040/428 48-25 74, E-Mail: info@popkurs-hamburg.de