: Händler verbuchen Verluste
Vor allem die kleinen Buchhändler kommen nur noch mühsam über die Runden. Auch die großen Ketten halten sich zurück. Denn das Kulturgut Buch wird mehr und mehr zum Ramschartikel
VON JÖRG SUNDERMEIER
Dem Buchhandel in Berlin geht es schlecht. Obschon das die meisten Buchhändlerinnen und Buchhändler nicht mal so einschätzen werden, denn gemessen an den Einbrüchen, die ihr Umsatz in den letzten Jahren verzeichnete, hält er sich 2004 einigermaßen stabil, wenn auch auf geringem Niveau. Das ist schon mehr, als viele zu hoffen wagten.
Doch man muss beachten, was in den letzten Jahren passierte: Die traditionsreiche Kiepert-Kette ging 2002 in Konkurs – lediglich eine Filiale konnte gerettet werden. Die Ringelnatz Buchhandlung in Kreuzberg, die Kleist Buchhandlung in Prenzlauer Berg, Krakehler in Schöneberg und etliche andere unabhängige Buchhandlungen wurde ebenfalls aufgelöst. Die wenigen Neugründungen wie etwa U+R Kiepert in Charlottenburg oder Hundt Hammer Stein in Mitte können das nicht aufwiegen.
Und auch die Großfilialisten verhalten sich vorsichtig – nachdem der Machtkampf gegen den „Platzhirsch“ Kiepert gewonnen war, zeigten sich die beiden Buchhandelsketten Thalia und Hugendubel bescheidener, lediglich eine neue Hugendubel-Filiale in der Wilmersdorfer Straße ist dazugekommen, ansonsten wird erst einmal nicht mehr expandiert.
Kunden fehlt das Geld
Denn die Probleme des Berliner Buchhandels sind heute andere als die Konkurrenz. Zum einen geht es um das Geld – viele Kundinnen und Kunden drehen den Cent dreimal um, bevor sie sich ein neues Buch leisten. Die Angebote bei Wohlthat, Jokers und anderen modernen Antiquariaten sind verführerisch, viele Taschenbücher sind dort schon für ein bis drei Euro zu haben, auch aktuelle Titel. Das liegt daran, dass manche Verlage lieber einen Auflagenteil eines Buchs verramschen und dann nachdrucken wollen, als sich mit diesen Büchern lange und teure Regalmeter im Zwischenlager zu blockieren.
Das Buch ist inzwischen, wenn man so will, auch für den Endkunden als Ware erkennbar geworden, das stetige Geramsche hat das Buch von seiner Aura eines Kulturguts befreit. Reihen wie die „Bild-Bibliothek“ oder die „SZ-Bibliothek“, denen man ja unterstellen mag, dass sie einen kleinen Beitrag zur Hebung des allgemeinen Bildungsniveaus darstellen, sorgen mit ihren Billigpreisen gleichzeitig für Erklärungsnotstand in den Buchhandlungen.
„Wie soll ich denn erklären, dass dieses Thomas-Bernhard-Taschenbuch teurer ist als jenes gebundene aus der SZ-Bibliothek“, klagte vor kurzem eine Buchhändlerin in einem Fachblatt. Andere, findigere und vor allem im Internet versierte Leute greifen auf antiquarische Angebote zurück, gerade populäre Bücher lassen sich dort, kaum benutzt, für eine Summe weit unter dem Neupreis kaufen oder ersteigern.
Handel fehlen Leseratten
Das ist aber das kleinere Problem. Denn das neue Buch der Karikaturisten Greser und Lenz heißt „Lesen, das geht ein, zwei Jahre gut, dann bist du süchtig“. Diejenigen, die sich zunächst ausschließlich von Billigbüchern ernähren, werden irgendwann so angefixt sein, dass sie keinen Bogen mehr um das normale Sortiment machen werden, sie werden woanders sparen. Doch die Buchsüchtigen sind in der Minderheit, das zeigt nicht nur das stetige Sterben der Stadtteilbibliotheken.
Das weitaus größere Problem nicht nur des Buchhandels ist, dass das sich das Bürgertum klassischer Prägung, also das Bildungsbürgertum, offensichtlich überholt hat. Heutzutage schämen sich wenige, wenn sie kaum Bücher im Regal haben, ein Gespräch über Bücher wie über Filme – sofern es sich nicht um Publikumsrenner handelt – ist auf Partys unüblich, und unser Bundeskanzler bekennt freimütig, dass er kein Leser sei; ebenso wenig ist der Berliner Partybürgermeister für ausgeprägte Intellektualität bekannt. In solch einer Atmosphäre der umherschweifenden Geistlosigkeit kann es nicht verwundern, dass es dem Buchhandel schlecht geht, es scheint vielmehr mutig, dass er weitermacht, solange er kann.