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Archiv-Artikel

Ende der Willkür beim Strompreis

Wirtschaftsminister Clement gibt nach und überarbeitet sein Energiegesetz. Kontrolle der Strompreise wird gestärkt, weil sich die Regierung keine Blöße geben will. Bundesrat und Grüne setzen sich durch. DIW: Strom in Deutschland besonders teuer

AUS BERLIN MATTHIAS URBACH

Eigentlich wollte sich die Arbeitsgruppe aus Wirtschaftsminister, Umweltminister und den Experten der Regierungsfraktionen schon am Freitag über die Neufassung der Energierechtsnovelle einigen, dann brauchte es doch noch zwei Termine am Montag und Dienstag. Trotzdem blieb der Konflikt anders als beim Emissionshandel oder der Windenergie leise: Angesichts des öffentlichen Drucks durch die happigen Strompreiserhöhungen einiger Stromkonzerne und die Forderung des Bundesrates nach einer stärkeren Preiskontrolle hatte Wolfgang Clement nichts mehr entgegenzusetzen. Schnell war man sich in der Koalitionsrunde einig, dass ansonsten die Union in der komfortablen Lage gewesen wäre, der Regierung vorzuwerfen, einerseits den Strompreis mit Ökosteuer und Ökoenergie-Gesetz zu belasten, andererseits nichts für den Wettbewerb zu tun.

Und so stimmte das Kabinett gestern den meisten Änderungswünschen der Länder zu. Heute wird die geänderte Novelle des Energiewirtschaftsgesetzes von der Koalition in den Bundestag eingebracht. Kernpunkt ist nun eine Preiskontrolle für die Nutzung des Stromnetzes, die sich in drei Stufen zu einer echten Anreizregulierung entwickeln wird, wie sie die Monopolkommission und die Grünen schon lange fordern.

Dabei sollen in einer ersten Stufe die jüngsten Preiserhöhungen der Stromkonzerne für die Stromdurchleitung nachträglich (ex post) überprüft werden. Anschließend soll die neue Regulierungsbehörde innerhalb von zwei Jahren alle Netznutzungsgebühren durchleuchten und die Preise neu und vorab (ex ante) genehmigen. Schließlich soll sie in einer dritten Stufe eine „Anreizregulierung“ einführen, bei der sich die vorab genehmigten Gebühren am besten Wettbewerber orientieren.

Clement hatte in seinem ersten Entwurf eine Novelle vorgelegt, die den Netzbetreibern deutlich mehr Möglichkeiten ließ, bei der Netzgebühr wie bisher abzukassieren – und sich so Konkurrenten vom Leibe zu halten. Vielleicht wäre er damit auch durchgekommen, hätten saftige Preiserhöhungen der Konzerne nicht eine öffentliche Debatte ausgelöst, in der auch die Union plötzlich ihr Herz für Stromwettbewerb entdeckte.

Außerdem soll auf Druck der Grünen die Regulierungsbehörde insgesamt mehr Spielraum bekommen, etwa beim Markt für Regelenergie. „Damit schaffen wir ein System der lernenden Regulierung“, sagt die grüne Energiesprecherin Michaele Hustedt. Zwar scheiterte Umweltminister Jürgen Trittin mit dem Versuch, das Monopol der Stadtwerke für Montage und Ablesen der Stromzähler zu knacken. Die grüne Fraktion will aber diese Frage im Gesetzgebungsverfahren noch einmal angehen.

Der Industrie-Stromkundenverband VIK begrüßte die beschlossene Vorabgenehmigung der Durchleitungspreise. Die „faire Nutzung“ der Netze führe auch zu günstigeren Strompreise. Die Netzgebühr macht etwa ein Drittel des Endstrompreises aus.

Laut dem Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung liegen die Strompreise in Deutschland im EU-Vergleich besonders hoch: Ohne Steuern seien die Strompreise für durchschnittliche Haushaltskunden nur noch in Italien und Portugal höher, mit Steuern in Italien, Dänemark und Holland. Industriekunden bezahlten allein in Italien mehr.