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Archiv-Artikel

Selbst versenkter Admiral

Der Rücktritt von Bildungssenator Rudolf Lange (FDP) ist nur noch eine Frage des Zeitpunktes. Kabinettsumbildung spätestens für den 26. November erwartet. Opposition bohrte gestern in der Bürgerschaft weiter erbarmungslos im Kita-Loch

von PETER AHRENS und SVEN-MICHAEL VEIT

„Trifft es zu, dass Senator Lange sich in der Tradition der Marine sieht, nach verlorenen Schlachten sich selbst zu versenken?“ Die Frage des SPD-Abgeordneten Michael Neumann wurde vom Präsidium der Bürgerschaft während der gestrigen Fragestunde des Parlaments als „unzulässig“ gerügt. Doch in der Sache dürfte Neumann damit den Nagel auf den Kopf getroffen haben. Während FDP-Bildungssenator Rudolf Lange im Vermittlungsausschuss in Berlin über die Steuerreform des Bundes beriet, hält er das Steuer in Hamburg längst nicht mehr in der Hand.

Im Parlament, das gestern noch einmal Auskunft über die genauen Ausmaße des Kita-Finanzkraters versuchte zu erlangen, wird längst über einen Nachfolger für den glücklosen Konteradmiral Lange spekuliert. Dabei fallen wiederholt die Namen des FDP-Landesparteichefs Reinhard Soltau und der ehemaligen hessischen Kultusministerin Ruth Wagner.

Offiziell wies die FDP gestern alle Nachfolgefragen als „pure Spekulation“ zurück. In der Nacht zu Donnerstag waren Fraktion und Präsidium der Partei zu einer Krisensitzung zusammengekommen. Dabei wurde Lange nach taz-Informationen der Rücktritt „nahe gelegt“, ein Ansinnen, das der Admiral zurückwies. Während Fraktionssprecher Christian Sommer indes tapfer beteuerte, „über Personalfragen wurde nicht gesprochen“, stichelte Schill-Fraktionschef Norbert Frühauf ungerührt gegen Lange. „Ich denke, dass wir in den kommenden Tagen Klarheit bekommen“, vertraute er dpa an.

Hinter den Kulissen der Rechts-Koalition verdichten sich die Anzeichen, dass im Lauf der nächsten Woche mit einer Kabinettsumbildung zu rechnen ist. Zunächst jedoch müssen die Freidemokraten einen veritablen Nachfolger gefunden haben, der sich auf das Wagnis einlässt, binnen zwei Jahren den von Senator Lange angerichteten Flurschaden wegzuräumen. Die offizielle Ernennung könnte in der Bürgerschaftssitzung am 26. November erfolgen – damit würde ein Antrag der Sozialdemokraten auf Entlassung Langes durch Bürgermeister Ole von Beust (CDU) überflüssig.

Gestern musste sich an Langes Stelle sein Staatsrat Reinhard Behrens der drängenden Fragen der ParlamentarierInnen zum Kita-Loch erwehren – und lavierte sich mehr schlecht als recht durch die diversen Defizite seiner Behörde im Kita-Bereich hindurch. Die konkrete Frage von GAL-Fraktionschefin Christa Goetsch nach dem aktuellen Stand des Defizites konnte Behrens nicht beantworten und verwies stattdessen auf ein internes Controlling, das die Zahlen überprüfe.

Im Februar bereits sei Lange erstmals über einen „erhöhten Finanzbedarf in Höhe von 15 bis 18 Millionen Euro“ informiert worden, so Behrens. Noch Anfang Juni gab es allerdings eine Presseerklärung der Finanzbehörde, welche die Kitapolitik als „solide finanziert“ bezeichnete. Ob da jemand vielleicht wissentlich die Unwahrheit gesagt habe, wollte GALier Willfried Maier wissen. Antwort von Behrens: „Das sind interne Kommunikationsprozesse, die hier keine Bedeutung haben dürften.“ Allerdings interessieren sie heftig die Deputation der Bildungsbehörde, die gestern auf weitere Ungereimtheiten hinwies (siehe Kasten rechts).

Behrens verteidigte das Kita-Gutscheinsystem nochmals als „dem alten System an Transparenz weit überlegen“. Die Kita-Politik unter SPD-Führung sei geprägt gewesen von „Bewilligungskriterien wolkigen Gutmenschentums“, spottete der Staatsrat und erntete selbst hämisches Gelächter, als er anmerkte: „Dass Sie überhaupt so kritisch nach konkreten Defiziten nachfragen können, liegt nur daran, dass wir ein so transparentes System eingeführt haben.“