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Archiv-Artikel

Wettlauf der Steuersenker

Schon wieder gibt es ein neues Modell, das das deutsche Steuersystem radikal vereinfachen will. Diesmal stammt es von Ex-Verfassungsrichter Paul Kirchhof. Allerdings sind die Unterschiede zu Vorschlägen von CDU, FDP und Grünen nicht groß

Von U.H.

BERLIN dpa/ap/taz ■ Im Wettstreit um das künftige Steuersystem liegt jetzt ein weiteres radikales Modell vor. Es stammt vom Ex-Verfassungsrichter Paul Kirchhof. Sein Gesetzestext kommt mit nur neun Seiten aus und sieht im Kern einen einzigen Steuersatz von 25 Prozent auf jede Form von Einkommen vor – also auf Löhne und Gehälter genauso wie auf Zinserträge, Dividenden und Gewinne. Sämtliche Ausnahmen und Privilegien werden abgeschafft.

Die Steuererklärung würde künftig nur zehn Minuten beanspruchen, sagte Kirchhof. Niemand muss mehr Schuhkartons mit Belegen durchwühlen. Statt bisher 235 seien nur 23 Paragrafen nötig. Das Existenzminimum bliebe weiter steuerfrei. Jedem Steuerpflichtigen und jedem Kind würde ein Grundfreibetrag von 8.000 Euro zustehen. Hinzu käme eine allgemeine Kostenpauschale von 2.000 Euro. Die Steuerpflicht setzt also erst mit 10.000 Euro ein – und beträgt für die nächsten 5.000 Euro nur 15 Prozent. Zwischen 15.000 und 20.000 Euro ist das Einkommen mit 20 Prozent zu versteuern. Der volle Steuersatz von 25 Prozent gilt damit erst ab 20.001 Euro. Das Ehegattensplitting bliebe bestehen, wenn auch technisch vereinfacht.

Kirchhof sah durchaus Parallelen zum Modell des CDU-Experten Friedrich Merz. Der hatte kürzlich ebenfalls vorgeschlagen, einen Grundfreibetrag von 8.000 Euro für jedes Familienmitglied einzuführen. Ab 8.000 Euro würde allerdings dann ein Steuersatz von 12 Prozent gelten, der ab 16.000 Euro auf 24 Prozent und ab 40.000 Euro auf 36 Prozent steigen würde.

Bei der FDP wiederum soll der Grundfreibetrag bei 7.500 Euro liegen. Darüber würde ein Steuersatz von 15 Prozent gelten, der ab 15.000 Euro auf 25 Prozent und ab 40.000 Euro auf 35 Prozent zunähme.

Die Grünen arbeiten ebenfalls an einem Modell, das weitgehend den Vorschlägen von Merz gleicht. Allerdings verlangen sie Mindeststeuern auf Vermögen und für große Unternehmen. Auch kritisieren sie einen zentralen Baustein der rot-grünen Unternehmensteuerreform, nämlich die Steuerfreiheit für Verkaufsgewinne aus Beteiligungen von Kapitalgesellschaften.

Die SPD hat als einzige Partei noch keine „große“ Steuerreform zu bieten. Sie konzentriert sich zunächst auf das Vorziehen der dritten Stufe der bisherigen Steuerreform. Danach würde der Freibetrag auf 7.664 Euro steigen, der Eingangssteuersatz auf 15 Prozent sinken und der Höchststeuersatz von 42 Prozent ab einem zu versteuernden Einkommen von 52.152 Euro greifen.

Um diese vorgezogene Steuerreform wurde gestern Nachmittag im Vermittlungsausschuss von Bundesrat und Bundestag gerungen. Die Union kündigte vorher an, dass sie der vorgezogenen Steuerreform nur gegen Zugeständnisse bei der Arbeitsmarktpolitik zustimmen wolle. Vor allem den Kündigungsschutz will sie weiter lockern. Die SPD hingegen bot an, sich bei der Finanzierung der Steuerreform zu bewegen. Die Union hat sich darauf festgelegt, dass die sinkenden Steuersätze nur zu einem Viertel über Schulden finanziert werden dürften. U.H.