: Ärzte nagen nicht am Hungertuch
Trotz Krisengerede: Ärzte verdienen immer noch überdurchschnittlich gut. Nur auf dem Lande sieht es schlecht aus
Die deutschen Gesundheitsreformen der letzten Jahre zeigen Wirkung. Allerdings erscheint nicht alles davon positiv. So bemängeln die niedergelassenen Ärzte, dass ihnen keine finanzielle Luft mehr zum Arbeiten bliebe. Laut Hamburger Abendblatt soll bereits jede fünfte Arztpraxis in der Hansestadt vor dem Aus stehen. Der Hartmannbund, die führende Standesvertretung der Mediziner, spricht von einem „schleichenden Sterben“ und einer „Pleitewelle“ der deutschen Arztpraxen, die Insolvenzquote soll unter Fachärzten schon bei 20 Prozent liegen.
Vorbei also die Zeiten, als der Dr. med. noch ein Garant für sicheres Einkommen und hohen sozialen Status war? Die Fachzeitschrift Via Medici ist dieser Frage nachgegangen, und ihr Fazit fällt nicht sonderlich pessimistisch aus: „Auch wenn manche Mediziner davon reden, dass die goldenen Zeiten für die Ärzteschaft vorbei sind: Für eine gut gefüllte Geldbörse reicht der Job allemal.“
Und in der Tat: Laut Statistischem Bundesamt darf ein niedergelassener Allgemeinarzt auf einen Reinertrag von fast 108.000 Euro pro Jahr hoffen, und wenn er Teilhaber einer Gemeinschaftspraxis ist, kann er sich auf 147.000 Euro steigern. Ein Frauenarzt bringt es in einer Gemeinschaftspraxis auf knapp 220.000 Euro pro Jahr und fällt damit in eine ähnliche Einkommensklasse wie der Orthopäde.
Deutlich übertrumpft werden beide allerdings vom Radiologen. Denn der verdient fast eine Viertelmillion Euro pro Jahr. Und diese Zahl rechtfertigt sich keineswegs aus den hohen Material- und Personalkosten, die in einer radiologischen Praxis anfallen – denn die wurden vom Statistischen Bundesamt bereits abgezogen.
Auch an den Krankenhäusern sieht es nicht unbedingt düster für ärztliche Geldbörsen aus. Eine ledige Assistenzärztin in Sachsen-Anhalt verdient etwa 2.000 Euro brutto, hinzu kommt ein Ortszuschlag von über 500, und pro Überstunde gibt es noch einmal 20 Euro extra. Wenn sie die Karriereleiter und einen Oberarztposten erklimmt, stehen ihr als Grundvergütung ungefähr 3.000 Euro zu. Und von da aus geht es nur noch nach oben. Ohne weitere Karrieresprünge, bloß aufgrund der absolvierten Berufsjahre, denn die Tarifrichtlinien des öffentlichen Dienstes sehen das so vor.
Wer schließlich als Chefarzt arbeitet, darf meistens seine Privatpatienten in die Betten der staatlichen Klinik legen und sie – nach Abzug einer Aufwandsentschädigung – privat abrechnen. Jährliche Privathonorare von 150.000 Euro sind laut Schätzungen der Wissenschaftsministerien die Regel, manchmal ist es auch mehr als eine halbe Million, zusätzlich zum Einkommen von 50.000 bis 75.000 Euro pro Jahr.
Freilich sind nicht alle Ärzte auf Rosen gebettet. Gerade auf dem Land gibt es viele Praxen, die in finanzielle Schieflagen geraten sind. Und ein junger Mediziner, der sein Praktikum am Krankenhaus macht, muss brutto mit etwa 1.200 Euro monatlich klarkommen.
Selbst mit Nachtdienst lässt sich kein Geld mehr scheffeln. Seitdem gestresste Klinikärzte vor Gericht eine Beschneidung ihrer Arbeitszeit erstritten haben, zählen die Nachtschichten zur normalen Arbeitszeit – und sie werden immer häufiger danach bezahlt, wie oft die Ärzte tatsächlich rausmüssen. Wer also eine ruhige Nacht hat, verdient wenig. „Auf diese Weise kann es passieren“, so Prof. Joachim Mössner von der Uni-Klinik Leipzig, „dass am Ende des Monats wegen der Nachtdienste sogar weniger auf dem Konto ist als sonst.“ JÖRG ZITTLAU