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Archiv-Artikel

Zurück auf der Erde

Nach der New Economy: Die Überlebenden des großen Absturzes in der Multimedia-Branche in Hamburg versuchen sich wieder zu berappeln

„Vor vier Jahren gab es das Gefühl: Die Welt ist großartig, und alle verdienen viel Geld“

von PETER AHRENS

Es ging ihnen allen schon mal besser. Sie sind erst zwischen 30 und 40 Jahre alt, und trotzdem wirkt es ein bisschen wie ein Treffen von Veteranen, als die fünf Männer zum Auftakt der vom Hamburger Arbeitsamt ausgerichteten Berufsinformationsmesse Multimedix dort vorn auf dem Podium sitzen.

Wenn sie von 1999 reden, klingt es, als sprächen sie von einer fernen Zeit, einer verschwundenen Ära, in der Milch, Honig und Traumgehälter flossen und der Ferrari zum Dienstwagen wurde. Alle fünf waren noch vor drei Jahren dick im Geschäft der New Economy in der Hansestadt, und mittlerweile haben sie kollektiv die Erfahrung gemacht, wie es ist, wenn man abstürzt und „sich statt an der Börse vorm Insolvenzrichter wieder findet“, wie Uli Hegge formuliert.

Hegge hat wie die anderen, die am Donnerstagabend über ihre Absturzerfahrungen im Neuen Markt berichten, mittlerweile wieder Fuß gefasst: Die Firma, die er führt, heißt „7D Software“ – aber Namen sind in dieser Branche Schall und Rauch. Stefan Grossmann ist jetzt zum Beispiel Prokurist bei „Blue Pier GmbH“, aber das Unternehmen wurde in den vergangenen Monaten und Jahren immer wieder umbenannt. Die Leute, die dort arbeiten, sind allerdings noch fast dieselben wie vor zwei, drei Jahren – es sind nur erheblich weniger geworden.

Als der Hype am hypsten war, „sind wir alle ein wenig größenwahnsinnig geworden“, sagt Hegge. Von anderen Unternehmen bekam er Angebote, „da war keins dabei, das niedriger als 500.000 Mark Jahresgehalt lag“. Im Nachhinein war das „obszön“, aber es gab das Gefühl: „Die Welt ist großartig, und alle verdienen Geld.“

Es war die Zeit, in der man lernte, „wie man sinnlos Geld ausgibt und Zeit mit Leere füllt“, resumiert Gero Pflaum. Auch er hat mittlerweile eine neue Firma – „die letzte ist mir im Sommer um die Ohren geflogen“. Wie gewonnen, so zerronnen – noch jetzt wirken die ProtagonistInnen der New Economy so, als sei das alles ein großes Spiel, an dem sie als Mitspieler beteiligt sind. Mal ist man oben, mal unten. Und jetzt ist man eben unten.

Viel Wehklagen stimmen die gescheiterten Helden denn auch nicht an, „auch wenn man nicht vergessen sollte, dass viele Existenzen hart belastet worden sind“. Täglich erhält Christoph Kappes, heute Geschäftsführer der Internetfirma Xplain, 20 bis 30 Bewerbungen von Leuten, die beim großen Kehraus nach 2001 aus den New Economy-Jobs herausgespült worden sind. Die Multimedia-Branche hat zuletzt viel für die Arbeitslosenstatistik getan.

Und daran dürfte sich vorerst auch nichts ändern. „Auch wenn wir uns wieder ein bisschen berappeln, erwarte ich keinerlei Auswirkungen auf den Arbeitsmarkt“, sagt Hegge. Niemand zeige zurzeit Bereitschaft, Leute frisch einzustellen. Auch ausgebildet wird kaum, wenn man es auch gern täte. Jeder ist froh mit dem, was er hat. Und Pflaum „tut es leid, so etwas auf einer Veranstaltung des Arbeitsamtes zu sagen“, aber: Festanstellungen zu tätigen, käme für ihn aus Geschäftsführungs-Sicht momentan ohnehin nicht in Frage. Lieber arbeitet er mit Leuten, die frei auf dem Arbeitsmarkt floaten, ohne Sozialversicherung, ohne Kündigungsschutz.

Die New Economy, sie ist noch da, aber „wir sind“, wie Hegge es ausdrückt, „down to earth“.

Berufsinformationsmesse Multimedix noch heute von 10-18 Uhr geöffnet im Museum für Arbeit am Wiesendamm in Barmbek. Eintritt: 3,50 Euro