Freihandel light

Morgen beginnen in Miami neue Verhandlungen über die geplante gesamtamerikanische Handelszone. Vor allem USA und Brasilien uneins

aus Porto Alegre GERHARD DILGER

Kaum ein Thema bewegt in Amerika so sehr die Gemüter von Regierungspolitikern, Unternehmern und Basisaktivisten wie die Freihandelszone FTAA (auf spanisch: Alca). Ende 1994, also mitten in der neoliberalen Euphorie der Neunzigerjahre, einigten sich die amerikanischen Präsidenten mit Ausnahme Fidel Castros in Miami auf einen Zeitplan, wonach das Vertragswerk zum 1. Januar 2005 in Kraft treten sollte.

Ab morgen steigt in der Hauptstadt Floridas erneut ein FTAA-Ministertreffen. Doch statt eines glänzenden Auftakts zur Endrunde, wie ihn sich Washington erhofft hatte, geht es dort vor allem darum, die Differenzen in der Hemisphäre zu kaschieren und ein weiteres Auseinanderdriften der größten Gegenspieler USA und Brasilien zu stoppen.

Die Vorarbeit dazu leisteten jetzt US-Handelsbeauftragter Robert Zoellick und Brasiliens Außenminister Celso Amorim: In Washington erarbeiteten sie eine inoffizielle Diskussionsgrundlage. Sie eröffnet einen salomonischen Mittelweg zwischen den bisherigen Positionen Washingtons und Brasilias. Die USA beharrten bislang auf dem alten, „umfassenden“ FTAA-Konzept, wonach neben Handelsfragen Themen wie Investitionsschutz, Dienstleistungen, Regierungskäufe oder geistiges Eigentum bindend geregelt werden sollten – also jene Bereiche, in denen die Länder des Nordens auch im Rahmen der Welthandelsorganisation Märkte für ihre Unternehmen erschließen wollen.

Brasilien hingegen plädierte seit dem Amtsantritt von Präsident Lula für eine so genannte „FTAA light“: Da die USA nicht zum Abbau ihrer Agrarsubventionen bereit sind, sollten die anderen Themen in die WTO-Verhandlungen ausgegliedert werden. Über Handelsfragen solle sich Washington direkt mit dem Mercosur (Brasilien, Argentinien, Paraguay und Uruguay) einigen, die FTAA solle sich auf die Klärung von Handelskonflikten und den Abbau bürokratischer Hindernisse beschränken.

Als Kompromiss, bei dem alle Beteiligten ihr Gesicht wahren können, kristallisiert sich nun ein „Supermarkt-Modell“ heraus: Die gemeinsame Basis sollen Zollsenkungen für den Güterverkehr bilden, die im kommenden Jahr ausgehandelt werden. In den für die Lateinamerikaner problematischen „Nichthandelsbereichen“ wird nur der Weg für Abkommen zwischen einzelnen Ländern geebnet.