„Ich habe die Entscheidung voll mitgetragen“

Der ehemalige CDU-Generalsekretär Ruprecht Polenz hätte im Fall Hohmann ein Parteiordnungsverfahren dem Rauswurf vorgezogen. „Aber das ist Schnee von gestern“

taz: Herr Polenz, hat Sie die hohe Zahl von Gegenstimmen und Enthaltungen bei der Abstimmung über den Fraktionsausschluss von Martin Hohmann überrascht?

Ruprecht Polenz: Nein, eigentlich nicht. Es war für uns alle eine menschlich sehr belastende Entscheidung.

Dürften nicht auch andere Motive als menschliches Mitgefühl eine Rolle gespielt haben?

Dass der eine oder andere auch Zweifel am gewählten Verfahren gehabt hat, schließe ich nicht aus. Ich hatte ein Parteiordnungsverfahren vorgeschlagen. Das hätte möglicherweise etwas länger gedauert, wäre aber rechtlich klar und übersichtlich gewesen und hätte auch zu einem Ausschluss führen können. Aber das ist Schnee von gestern, und ich habe die Entscheidung, die am Ende getroffen wurde, voll mitgetragen.

Können bei der Abstimmung in der Fraktion auch Zweifel am Führungsstil von Angela Merkel eine Rolle gespielt haben?

Das glaube ich nicht. Diese Frage eignet sich für derlei nicht. Wissen Sie, wir sind wirklich alle sehr bedrückt in diese Sitzung gegangen.

Und wie sieht es mit heimlicher Zustimmung zur Weltsicht von Martin Hohmann aus?

Auch das glaube ich nicht. Nicht in der Fraktion. In der Öffentlichkeit gibt es allerdings solche Reaktionen, ich bekomme auch entsprechende E-Mails. Was zeigt, wie viel Aufklärung in diesem Bereich notwendig ist und geleistet werden muss.

sst sich eine emotionale Grundhaltung wie latenter Antisemitismus mit Argumenten bekämpfen?

Ich will nicht aufhören zu hoffen, dass das geht.

Der Ausschluss ist damit begründet worden, dass Martin Hohmann sich nicht eindeutig von seiner Rede distanziert habe. Ist das nicht ein bisschen dürftig? Warum sollte jemand, der sorgfältig einen Text ausgearbeitet hat, plötzlich von seiner eigenen Meinung abrücken?

Man kann ja klüger werden, und man kann doch auch an Argumenten anderer merken, dass man einen Fehler gemacht hat.

Finden Sie eigentlich, dass sich Roland Koch fair verhalten hat? Erst hat er tagelang geschwiegen und dann sehr deutlich gemacht, dass die Entscheidung bei Angela Merkel liegt.

Er hat die Entscheidung im Bundesvorstand mitgetragen. Der Parteiausschluss eines Bundestagsabgeordneten muss vom Landesverband eingeleitet werden, aber er fand wohl, die Fraktion solle das erste Wort haben. Das würde ich noch nicht als unfair bezeichnen.

Viele CDU-Politiker haben in den letzten Tagen gesagt, es müsse ganz deutlich werden, dass Hohmann eine Grenze überschritten habe. Womit hat er das aus Ihrer Sicht genau getan?

Um zwei Punkte zu nennen: Er hat das Hetzvokabular der Nationalsozialisten benutzt und rassistische Stereotype vorgetragen, die auch den Nürnberger Gesetzen zugrunde lagen. Danach sind Juden nicht Russen oder Deutsche, sondern sie sind, egal in welchem Land sie leben, immer und in erster Linie Juden – ein eigenes, anderes „Volk“.

INTERVIEW: BETTINA GAUS