: Nazi-Aufmarsch in Potsdam
Erstmals wollen heute Rechtsextremisten durch die Potsdamer Innenstadt marschieren. Ministerpräsident Platzeck und Innenminister Schönbohm unterstützen Gegendemonstration
VON FELIX LEE
Brandenburg gilt als Flächenland mit den meisten rechten Hochburgen. Und trotzdem ist zumindest das Zentrum der Landeshauptstadt in den vergangenen Jahren von Neonazi-Aufmärschen verschont geblieben. Außer einer geschickten Polizeibehörde, der es stets gelang, angemeldete Aufmärsche an den Stadtrand zu verbannen, hat das noch einen zweiten Grund: Anders als im Umland gibt es in Potsdam eine aktive linke Szene, die seit Jahren jedes Zucken ihrer stadtbekannten Neonazis beobachtet und sie von Zeit zu Zeit einschüchtert. Das wollen sich die Neonazi-Horden des Potsdamer Umlands nicht länger gefallen lassen. Unter dem Motto „Gegen Hetze und Terror von Links“ wollen sie nun am Samstag ab 12 Uhr vom Hauptbahnhof zum Potsdamer Brandenburger Tor durch die Innenstadt ziehen.
Wenn nichts dazwischenkommt. Zeitgleich zum Aufmarsch haben Initiativen, Gewerkschaften und Antifa-Initiativen gleich drei Gegenveranstaltungen angemeldet. Zu der voraussichtlich größten Demo, die vom Bündnis „Potsdam bekennt Farbe“ angemeldet wurde, erwarten die Veranstalter um 12.30 Uhr mehrere tausend Teilnehmer. Treffpunkt ist der Platz der Einheit. Zu den Unterstützern gehören auch der brandenburgische Ministerpräsident Matthias Platzeck (SPD), Innenminister Jörg Schönbohm (CDU) und Potsdams Oberbürgermeister Jann Jakobs (SPD). Eine zweite Kundgebung hat die PDS-nahe Jugendorganisation „solid“ um 11 Uhr am Glockenspiel geplant. Antifa-Gruppen, unter anderem die Antifaschistische Linke (ALB) aus Berlin, wollen sich den Neonazis direkt in den Weg stellen und kündigten Blockaden entlang der Nazi-Route an.
Mit vielen Neonazis rechnet die Potsdamer Polizei an diesem Samstag nicht. Der Hamburger Rechtsextremist Christian Worch hat eine Demo für 200 Teilnehmer angemeldet. Einen Teil wird er aus Hamburg mitbringen. Unterstützung wird er zudem aus dem regionalen Kameradschaftsspektrum erhalten, wie zum Beispiel vom „Märkischen Heimatschutz“ (MHS) und der Berliner Kameradschaft Tor. Aus dem übrigen Bundesgebiet werden sich aber nicht viele Neonazis auf den Weg nach Potsdam machen. Denn am gleichen Tag findet im thüringischen Leinefelde der Bundesparteitag der NPD statt. Seit ihrem Wahlerfolg in Sachsen richtet sich auch das Augenmerk vieler Teile der Kameradschaftsszene auf die rechtsextreme Partei. Worch hingegen, der selbst lange Zeit als Mittler zwischen Kameradschaften und der NPD galt, ist weiterhin davon überzeugt, dass nur mit der außerparlamentarischen Rechten politisch zu trumpfen ist.
Die Sicherheitskräfte in Brandenburg nehmen Worchs Mobilisierungspotenzial ernst. Die Polizei hat bereits Verstärkung aus anderen Bundesländern angefordert. Gewalttätige Szenen wie auch am vergangenen Wochenende bei einem Nazi-Aufmarsch in Hannover wolle man um jeden Preis verhindern, kündigte Innenminister Schönbohm an. Seine Beamten seien rechtlich verpflichtet, die „Teilnehmer einer genehmigten Demonstration gegen Angriffe zu schützen“. Die Polizei werde aber alle Möglichkeiten ausschöpfen, versicherte Schönbohm, „den Rechtsextremisten möglichst wenig Raum zu lassen“.