: Neue Welle der Gewalt in Südthailand
Bei neuen Bombenanschlägen, bei denen es sich vermutlich um Vergeltungsaktionen handelt, sterben mindestens zwei Menschen. Muslimische Geistliche forden in Appell an den König den Rücktritt von Premierminister Thaksin
AUS BANGKOK NICOLA GLASS
Die Krise in Thailands Süden zieht immer weitere Kreise: Bei mehreren Bombenanschlägen in den Unruheprovinzen Narathiwat und Yala starben in den vergangenen zwei Tagen zwei Menschen, fast vierzig wurden verletzt. Andere Quellen sprachen von insgesamt drei Toten.
Am Morgen war in der Provinzhauptstadt Yala eine Bombe explodiert. Als Sprengstoffexperten eingetroffen waren, ging am gleichen Ort eine zweite Bombe hoch, die sieben Ermittler verletzte. Die Anschläge werden als Rache für den Tod von mehr als 80 muslimischen Demonstranten gesehen, zumal eine „Vereinigte Befreiungsfront von Pattani“ im Internet Vergeltung angekündigt hatte.
Mindestens sechs Menschen waren am Montag bei gewalttätigen Auseinandersetzungen zwischen Sicherheitskräften und Demonstranten vor einer Polizeiwache in der Provinz Narathiwat getötet worden. Weitere 78 Demonstranten erstickten, als sie mit mehr als tausend anderen Verhafteten stundenlang in Armeelaster gepfercht wurden.
Angesichts der brisanten Lage im muslimischen Süden des mehrheitlich buddhistischen Landes droht Regierungschef Thaksin Shinawatra ein innenpolitisches Desaster. Der populistische Premier hatte sich gestern bei Thailands muslimischen Führern entschuldigt und versprochen, dass es keine Vertuschungen geben würde.
In einer Rede an die Nation am Abend bedauerte der sichtlich angeschlagene Premier zwar die Todesfälle und sprach den Hinterbliebenen Entschädigung zu. Doch weder kritisierte er das Vorgehen der Sicherheitskräfte, noch war von einer Aufhebung des seit Januar geltenden Kriegsrechts die Rede. Laut Thaksin sind die zu Jahresbeginn ausgebrochenen Unruhen im Süden nicht religiös motiviert, sondern von Gerüchten und Aufwieglern ausgelöst. Thaksin selbst musste gestern mit dem Gerücht kämpfen, er sei bereits zurückgetreten. Entsprechende Fragen von Journalisten wiegelte er gereizt ab: „Ich habe immer noch eine Menge Arbeit vor mir.“
Muslimische Geistliche kündigten gestern an, an den im ganzen Land verehrten König Bhumipol zu appellieren, eine königliche Regierung als Ersatz für die Thaksin-Administration einzusetzen, sollte Thaksin nicht zurücktreten. Der sei unfähig, die Probleme im Süden zu lösen, und habe begonnen, Buddhisten und Muslime gegeneinander auszuspielen, hieß es in einer Erklärung. „Wir wollen keine wirtschaftliche Hilfe, wir wollen Gerechtigkeit“, sagte der Imam Kusoh Nase aus Pattani mit Blick auf von Bangkok versprochene Gelder für den armen Süden.
Regierungen und Muslimorganisationen in den Nachbarstaaten Malaysia und Indonesien verurteilten die Gewalt gegen ihre Glaubensbrüder in Thailand. „Es war brutal“, kritisierte Dien Syamsuddin von Indonesiens zweitgrößter Muslimorganisation Muhammadiyah. „Was dort passierte, war Staatsterrorismus.“ Malaysias Premier Abdullah Ahmad Badawi drängt Thaksin, die Gewalt unverzüglich zu beenden. Vor Thailands Botschaften in Malaysias Hauptstadt Kuala Lumpur forderten hunderte Demonstranten die Regierung in Bangkok auf, die Ermordung von Muslimen zu stoppen. Derweil wächst die Angst vor weiterer Eskalation. Thailands moderate Muslime fürchten, dass Bangkoks Politik radikale Tendenzen im Süden stärkt.