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Archiv-Artikel

Freibriefe auf Vorrat

LBK-Verkauf: Details des Gesetzentwurfs zum Verkauf der Hamburger Kliniken belegen die Ausschaltung parlamentarischer Rechte und des Volksbegehrens durch den Schwarz-Schill-Senat. SPD und GAL kündigen Aufdeckung getarnter Halblegalität an

Zum Verkauf stehen drei Viertel des LBK und die Rechte des Parlaments

von SVEN-MICHAEL VEIT

Der von der Rechts-Regierung geplante Verkauf des Landesbetriebs Krankenhäuser (LBK) solle mit einem „gigantischen Täuschungsmanöver“ durchgezogen werden, argwöhnt Werner Dobritz. „Der Senat will sich einen Freibrief zum Verhökern der Hamburger Kliniken ausstellen“, meint der SPD-Abgeordnete und Vorsitzende des Haushaltsausschusses der Bürgerschaft.

Denn die Details des Gesetzentwurfs, der heute in einer öffentlichen Anhörung des Haushalts- und des Gesundheitsausschusses im Rathaus verabschiedet werden soll, entlarven „die wahren Absichten“, sagte Dobritz gestern nach intensivem Aktenstudium: „Am Parlament vorbei soll das Vermögen der HamburgerInnen verscherbelt werden.“

Grund für seine Empörung ist der Artikel 2 der Gesetzesvorlage. Danach befreit der Senat sich selbst von der Einhaltung jenes Gesetzes. Der Bürgermeister solle „im Alleingang“ und ohne Mitsprache der Bürgerschaft den weiteren Verkauf regeln dürfen. Einen „demokratischen Skandal“ nennt Dobitz deshalb das, was der grüne Haushaltsexperte Willfried Maier vornehmer als „halblegalen Vorratsbeschluss“ bezeichnet.

Der Gesetzentwurf sieht den Verkauf von 49,9 Prozent der Anteile an allen städtischen Kliniken an den privaten Klinikbetreiber Askleipos GmbH vor. Zugleich wird eine Betriebsgesellschaft „LBK Immobilien“ gegründet. Diese soll das Recht erhalten, mit Erlaubnis des Regierungschefs in Eigenregie weitere Anteile zu verkaufen. Dass die Veräußerung einer zweiten Tranche von 25 Prozent ebenfalls an Askleipos im Frühjahr geplant ist, dementiert der Senat auch gar nicht.

Wenn die Koalitionsmehrheit diesem Gesetz zustimme, erregt sich deshalb Dobritz, verkaufe sie „in Wahrheit drei Viertel des LBK“ und obendrein die Rechte des Parlaments. Auch Maier sieht darin „eine Ausschaltung der Bürgerschaft“. Allein das sei verfassungsrechtlich „höchst zweifelhaft“, zudem würde das Volksbegehren unterlaufen, das sich gegen den Verkauf der LBK-Mehrheit richtet. Denn die Bürgerschaft würde formal nur den Verkauf von 49,9 Prozent per Gesetz billigen. Weitere Anteilsverkäufe durch Bürgermeister und Betriebsgesellschaft wären jedoch möglich – und das Volksbegehren ausgehebelt.

Darüber hinaus sei der Verkauf des LBK auch finanzpolitisch und arbeitsmarktpolitisch widersinnig, befindet die Opposition. Nur noch 300 Millionen Euro statt der einstmals erhofften 1,2 Milliarden Euro vermag die Stadt für drei Viertel der städtischen Krankenhauslandschaft einzunehmen. „Ein dramatisch gesunkener Preis“, so Maier, der „das ganze Drama“ offenbare. Denn dieser Erlös, das hat auch Dobritz errechnet, „geht für die zusätzlichen Personalkosten ganz rasch wieder drauf“ (siehe Text unten).

Und zugleich drohe „ein weiterer Personalabbau“ durch den Käufer, warnt SPD-Gesundheitspolitiker Mathias Petersen. Binnen sechs Jahren sei das Klinikpersonal bereits von 13.851 auf 10.362 vermindert worden: „Mehr geht nicht“, warnt Mediziner Petersen, oder nur „auf Kosten der Qualität in der Behandlung“. Deshalb sei die gesamte „derzeit noch gute Gesundheitsversorgung“ in Hamburg bei einer Veräußerung des LBK „gefährdet“.

Ein weiterer Grund, warum die Opposition die Verabschiedung des Gesetzes mit allen rechtlichen Mitteln verhindern will. Denn nach Meinung der SPD wurde der Gesetzentwurf der Bürgerschaft „nicht form- und fristgerecht“ zugeleitet und könne deshalb auf der Sitzung am nächsten Mittwoch nicht in erster Lesung behandelt werden. Wenn aber dieser Termin nicht eingehalten werden kann, dürfte der Klinik-Ausverkauf in diesem Jahr nicht mehr zu bewerkstelligen sein. Der Senat solle sich „nicht zu sicher sein“, mahnt Dobritz, dass er die städtischen Kliniken tatsächlich „an Silvester verfeuern kann“.