: „Größte Unkenntnis“
Die grüne Abgeordnete Rebecca Harms fordert ein neues Procedere bei der Suche nach anderen Kandidaten für die EU-Kommission
Welche Kandidaten sollen nach Ansicht der Grünen auf jeden Fall aus Barrosos Team zurücktreten?
Über den Italiener Rocco Buttiglione ist ausreichend geredet worden. Wir haben die ganze Zeit bedauert, dass die Kritik an den anderen Kandidaten hinter der Kritik an Buttiglione verschwunden ist. Wir sind der Meinung, dass zwei Kandidaten allein wegen Befangenheit zurücktreten sollten, und zwar Neelie Kroes aus den Niederlanden und die Dänin, die designierte Landwirtschaftskommissarin. Dann war ich als Umwelt- und Energiepolitikerin der Meinung, dass weder Herr Kóvács noch Herr Dimas in seinem Amt brauchbar ist. Die haben in den Anhörungen durch größte Unkenntnis geglänzt. Und ich glaube weiter, dass auch Frau Udre aus Lettland nicht als designierte Kommissarin zurückkommen wird.
Sie würden also auch Udres Rücktritt begrüßen, obwohl sie ja der Grünen Partei Lettlands angehört?
Darauf haben wir keine Rücksicht genommen, sondern wir haben von Anfang an versucht, uns auf der Grundlage der Anhörungen eine Meinung zu bilden. Und niemand von uns hat die Europagegnerin Frau Udre gedeckt.
Wären Sie auch gegen die Nominierung Rocco Buttigliones gewesen, wenn er für ein anderes Amt als das des Justiz- und Innenkommissars nominiert worden wäre?
Das ist jetzt eine hypothetische Frage. Man muss sofort überlegen, welche Provokationen Herr Buttiglione dann gesucht hätte. Ich habe die ganze Zeit den Eindruck gehabt, dass er im Grunde auch in Italien innenpolitisch punkten wollte durch diese provozierenden Äußerungen, die er in den Anhörungen und auch noch danach gemacht hat.
Generell stellt sich aber die Frage: Welche Maßstäbe legt man zur Beurteilung von Kommissionskandidaten an? Es lässt sich ja schwerlich ein Gesinnungs-TÜV einrichten, wo zuvor das Weltbild der Kandidaten abgeklopft wird.
Für uns gibt es zunächst als Ausgangspunkt die Anhörung in den Fachausschüssen. Und auf der Grundlage dieser Anhörungen hat ja die Diskussion über die Eignung von Herrn Buttiglione als Kommissar, der der Hüter der Verfassung sein sollte, stattgefunden. Und das wird bei jedem neuen Vorschlag von alten oder neuen Kandidaten wieder so sein. Besser wäre, und darauf arbeiten wir ja hin, wenn der Kommissionspräsident von vornherein eine größere Auswahl zum Aufbau seines Teams hätte. In Zukunft sollte jede nationale Regierung drei Kandidaten vorschlagen, darunter mindestens eine Frau. Und dann kann auch, glaube ich, von vornherein mehr auf eine optimale Besetzung der Kommission hingearbeitet werden. Das wird hoffentlich für die nächste Kommission möglich sein.
Werden jetzt geeignetere Kandidaten für die Kommission aus dem Hut gezaubert?
Das überlasse ich jetzt mal Herrn Barroso und den Regierungschefs. Nur mit guten Umbesetzungen werden Barroso und diejenigen, die ihn gestützt haben, ohne Gesichtsverlust herauskommen. Was seine Stärke in Zukunft angeht, weiß Barroso: Er ist auf das Parlament angewiesen. Er kann sich nicht darüber hinwegsetzen. Und jetzt muss es ihm logischerweise ein Anliegen sein, gute Vorschläge zu machen.
INTERVIEW: OLIVER POHLISCH