italiener, türken und deutsche über den nicht-eu-kommissar buttiglione :
La Stampa aus Turin schreibt: Der Fall Rocco Buttiglione kann letztendlich als Beweis für ein korrektes Machtgleichgewicht in der europäischen Demokratie zu den Akten gelegt werden. Die parlamentarischen Ausschüsse haben ihre Unabhängigkeit und der neu gewählte Kommissionspräsident großen Respekt vor dem Parlament bewiesen. Ihrerseits haben unser Ministerpräsident und sein geprügelter Kandidat trotz allem zur besten realisierbaren Lösung beigetragen; Ersterer, indem er den Rückzug der Kandidatur ankündigte, und Letzterer durch seinen gut durchdachten Verzicht. Weiter zu beharren, wäre eine Schande gewesen.
Hürriyet aus Istanbul urteilt: Berlusconi musste seinen Kandidaten Buttiglione, der frauen- und homosexuellenfeindliche Äußerungen gemacht hatte, angesichts des Aufstands im Europaparlament zurückziehen. In Italien reden einige von der Verletzung ihrer nationalen Gefühle. Das Europaparlament hat mit seiner Ablehnung Buttigliones auch dem konservativ angehauchten Christentum die Stirn gezeigt. Buttiglione war in Berlusconis Kabinett zwar Europaminister, aber seine Ernennung zum EU-Kommissar kam nicht gut an. Das bedeutet, dass der Einfluss des Europaparlaments als Stimme der Europäer in der nächsten Periode zunehmen wird. Berlusconi musste dies als Erster erfahren. Wäre es besser gewesen, wenn der italienische Regierungschef auf seiner Entscheidung beharrt hätte? Nein. Vielleicht hätte sich die Kommission aufgelöst. Wäre damit der Stolz Italiens nicht noch mehr verletzt gewesen?
Die Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung meint: Da beugt sich der designierte Präsident der Kommission einer Mehrheit des Parlaments, weil die sich in einen Kultur- und Machtkampfrausch hineingesteigert hatte, und zieht seinen kollektiven Personalvorschlag fürs Erste zurück. Das war eine Niederlage kapitaler Art. Wenig später wird in Rom der Vertrag für eine europäische Verfassung unterzeichnet – begleitet von gutgemeintem Pathos und einer abgewetzten Rhetorik. Der Kanzler hat ganz Recht: Ein Schatten lag über der Unterzeichnung – der ganz lang werden kann, wenn die Wähler um ihre Meinung gefragt werden. Schröders nicht uneigennützige Schattenentdeckung spricht weniger gegen den alles in allem akzeptablen Vertrag, dem Übermütige das Edelprädikat Verfassung geben. Sie spricht nicht gegen das europäische Einigungsprojekt an sich, sondern kennzeichnet den Zustand der EU: Alltagsarbeit, garniert mit institutionellen Rivalitäten, Krisen, die von neuen Reformen abgelöst werden, in denen schon der Keim der nächsten Krise steckt.